Iran und Saudi-Arabien: Erzfeinde wagen den Schritt aufs Parkett

Nr. 11 –

China engagiert sich mit dem zwischen dem Iran und Saudi-Arabien vermittelten Abkommen nun auch in der Nahostdiplomatie. Welche Rolle spielt dabei das Erdöl?

Diplomatische Beziehungen bedeuten noch nicht, dass Staaten deswegen keine Probleme miteinander hätten oder keine Stellvertreterkriege führten. Doch das Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist so schlecht, dass die beiden Länder gar keine diplomatischen Beziehungen miteinander pflegen. Die Schweiz vertritt daher als Schutzmacht die Interessen des Iran in Saudi-Arabien und die saudischen Interessen im Iran. Wie am vergangenen Freitag in Peking bekannt gegeben wurde, haben die beiden Länder nun eine Vereinbarung getroffen: Sie wollen wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen. Diese durch China vermittelte Annäherung wurde weitherum begrüsst.

Denn die Verkündigung der trilateralen Vereinbarung zwischen dem Iran, Saudi-Arabien und China ist bemerkenswert: Der Iran und Saudi-Arabien sind so etwas wie Erzfeinde. Obschon sich beide lange zum Panislam bekannt haben, haben sich die Regimes speziell seit der Islamischen Revolution 1979 im Iran als Gegenbild des jeweils anderen Landes gesehen. Das haben sie unter anderem dadurch ausgetragen, dass sie Oppositionelle im jeweils anderen Land unterstützten und bei Konflikten in der Region jeweils auf unterschiedlichen Seiten intervenierten.

Hoffnung für den Jemen

Es gab immer wieder Perioden der Entspannung, etwa in den späten neunziger und frühen nuller Jahren, als es schon einmal verschiedene Abkommen, unter anderem auch Sicherheitsabkommen, zwischen den beiden Ländern gab, auf die sich nun die Erklärung von Peking beruft. Und dennoch: Der Konflikt im Irak nach der Invasion von 2003, die Bürgerkriege in Syrien und dem Jemen und die Krisen im Libanon tragen auch die Züge dieser Rivalität. Sie alle wären ohne die entschiedene Unterstützung beider Seiten für ihre jeweiligen Verbündeten – oft, aber nicht nur für diejenigen, die ihrer eigenen Konfession angehören – nicht so katastrophal verlaufen. Der Konflikt im Jemen ist immer noch eine der grössten humanitären Katastrophen der jüngeren Geschichte. Und er ist vor allem für die Saudis, die sich dort im Gegensatz zum Iran erheblich engagiert haben, eigentlich eine Niederlage. Grosse Hoffnungen hegen daher jetzt diejenigen, die sich ein Ende der Waffengewalt im Jemen und einen Wiederaufbau des Landes wünschen.

Die grosse Überraschung war am Freitag aber nicht, dass die saudische und die iranische Regierung wieder miteinander sprechen wollen, sondern dass China das diplomatische Zepter übernommen hat. Damit begibt sich das Land auf das Parkett der Nahostdiplomatie, wo sich bisher vor allem die USA und europäische Mächte bewegten. Bekanntlich blieben viele ihrer Initiativen am Schluss weit hinter den Erwartungen zurück. Saudi-Arabien und vor 1979 auch der Iran waren äusserst wichtige Partner der USA im Kalten Krieg. Saudi-Arabien war so antikommunistisch, dass es weder mit China noch mit der Sowjetunion irgendwelche Beziehungen pflegte. Die USA organisierten grösstenteils die Ölförderung in Saudi-Arabien und dem Iran und stellten sicher, dass der Erdölpreis in US-Dollar (und nicht mehr in Pfund) angegeben wurde. Dies bedeutete die Ablösung des Britischen durch das US-amerikanische Empire.

US-Dollar als Druckmittel

Dreissig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges sieht die Welt ganz anders aus. Sowohl Saudi-Arabien als auch der Iran verkaufen einen Grossteil ihres Erdöls nach Asien, insbesondere nach China, und unterhalten gute Beziehungen mit Russland, trotz des Krieges gegen die Ukraine.

Die USA haben die Dominanz des Dollars immer mehr als Druckmittel benutzt. Dies hat vor allem den Iran und Russland getroffen, die seither Güter direkt untereinander austauschen. China will möglichen neuen US-Sanktionen zuvorkommen, indem es Ölimporte in seiner eigenen Währung zahlt und dadurch die globale Bedeutung des Renminbis aufwertet. Bisher ist diese Strategie mehrheitlich erfolglos geblieben.

Aber unwahrscheinlicher wird die Einführung eines «Petro-Renminbis» durch das Abkommen nicht. Ob das Abkommen jedoch standhält und ob China wie angekündigt einen grossen Gipfel zwischen dem Iran und den Golfstaaten erfolgreich ausrichten kann, ist unmöglich abzuschätzen. Vielleicht ist erst einmal vieles Rhetorik und Symbolik; die Beziehungen Saudi-Arabiens zu den USA bleiben intensiv und vielseitig. Und dennoch: China inszeniert sich durch seine Vermittlerrolle am Golf als Weltmacht in einer Region, in der es kaum militärische Präsenz hat und die USA eine enorme. Und dies fürs Erste erfolgreich.

Toby Matthiesen befasst sich mit der Geschichte und der Politik des Nahen Ostens und der islamisch geprägten Welt. Sein Buch zur Globalgeschichte von Sunnit:innen und Schiit:innen, «The Caliph and the Imam», ist soeben bei Oxford University Press erschienen.