Im Affekt: Keine Preise für Profis!

Nr. 12 –

Geringschätzung im Beruf hat viele Gesichter; ein besonders herziges zeigte sich vor ein paar Wochen bei den Filmfestspielen in Berlin. Dort ging der Silberne Bär für die beste Hauptrolle an die achtjährige Sofía Otero. Klingende Namen wie Vicky Krieps, Jesse Eisenberg oder Franz Rogowski: ausgestochen von einem kleinen Mädchen in seiner allerersten Filmrolle.

Dass jemand völlig Unbekanntes die etablierten Schauspielgrössen in den Schatten stellt: Gerne, wieso nicht? Aber wenn ein Kind für die beste darstellerische Leistung ausgezeichnet wird, ist das auch: ein Affront. Es zeugt von Verachtung für einen ganzen Berufsstand. Gefeiert wird das Ungekünstelte, das scheinbar Authentische. Und eine überzeugende Laiendarstellerin wirkt halt immer irgendwie «echter» als die Profis, die das nur gelernt haben.

Diese Fetischisierung des Authentischen treibt auch beim Schweizer Filmpreis seltsame Blüten. Wie schon letztes Jahr entfallen gleich vier von insgesamt neun Nominationen bei den Schauspielpreisen auf Laiendarsteller:innen. Ein Stück weit ist das folgerichtig angesichts herausragender Filme wie «Drii Winter» oder «Unrueh», die ihre sehr eigene Erzählweise auch durch die Arbeit mit Laien­darsteller:innen entfalten. Wobei zumindest «Unrueh» diese gerade nicht dazu benutzt, um irgendeine Art von emotionaler Unmittelbarkeit zu fabrizieren.

Zum Ärgernis wird es aber, wenn eine Schauspielerin wie Esther Gemsch von der Filmakademie gar nicht erst nominiert wird. «Die goldenen Jahre» ist vielleicht kein überragender Film, und der Komponist hätte für seinen Soundtrack Berufsverbot verdient. Doch alles daran wäre nichts ohne Esther Gemsch: Sie trägt diesen Film, wie sie ihre Figur immer forscher aus der Ruhestandsfalle ihres verknöcherten Mannes treibt. Aber wenn die Oscars nicht gerade auf «Everything Everywhere All at Once» abfahren, ist bekanntlich das etwas, was bei Filmpreisen notorisch am wenigsten zählt: die Komödie.

Die Schweizer Filmpreise werden – hochprofessionell, hoffentlich – am 24. März in Genf verliehen.