Theater: Lenin und Chanel

Nr. 21 –

Bühnenfoto des Theaterstück «Keeping Up with the Penthesileas»:
«Keeping Up with the Penthesileas». Regie: Mateja Meded und Thomas Köck. In: Zürich, Theater Neumarkt. Nächste Termine: 25./26./27./30./31. Mai 2023. www.theaterneumarkt.ch

Wie soll man dieses schrille Biest von einem Theaterabend in einem Text festzurren? «Keeping Up with the Penthesileas» überschreibt Heinrich von Kleists «Penthesilea» mit einem Mythos von heute: den berüchtigten Kardashians und ihrer phänomenal erfolgreichen Reality-Soap «Keeping Up with the Kardashians» (zwanzig Staffeln, von 2007 bis 2021).

Die Show liefert auch die Dramaturgie für das Stück im Theater Neumarkt in Zürich. Und wer noch nie von diesen Selfmade-Superreichen aus den USA gehört hat, die mit Kosmetik, Medienpräsenz und Selbstvermarktung fett «Money Schmoney» scheffeln, hat wohl das Nachsehen. Das Regieduo Mateja Meded und Thomas Köck setzt diesen reinen Frauenclan als Amazonenarmee von heute. Doch letztlich ist in den knapp achtzig Minuten locker zweisprachigen Theaters eh alles glitschiges Zeichen: Kaum meint man, einen Gedanken gefasst zu haben, entgleitet er einem auch schon wieder. Riechts hier nach Lenin? – «Actually, it’s Chanel!» – «Fuck capitalism, drink Pepsi!» Auch die vordergründige Fundamentalkritik an den Verhältnissen ist reines Zeichen – und problemlos kapitalisierbar.

Den in sich ruhenden Gegenpol zum überdrehten Haufen, der gewaltig nervt und dabei doch so ausnehmend unterhaltsam ist, gibt eine famose Schwarze Frau. Wendy Goddess straft die Kardashians mit Verachtung, wäscht ihnen aber auch schlagfertig die Kappe: berühmt, «no talent». Einzig beim kurzen Intermezzo zur Geschichte des Feminismus findet man sich – beinahe: «Who did the work?» Wer hat die ganze Arbeit geleistet?, singen die Kardashians, maskiert als Suffragetten. Der Feminismus hat ein Race-Problem, war stets vornehmlich auf weisse Mittelschichtsfrauen ausgerichtet, sagt Wendy. Und er definiert Emanzipation zu einseitig, schimpfen die nun wieder unmaskierten Kardashians: Sichtbarkeit statt Hausarbeit! Die Suffragettenmasken landen im Mülleimer, the Show must go on ohne sie, mit Shading und Shaming, Blackfishing, Greenwashing, Caputalism und Caffelattikalismus. Fulminant.