Sachbuch: Lennon statt Lenin

Nr. 22 –

Buchcover von «Es geht auch anders»
Elke Kahr im Gespräch mit Silvia Jelincic: «Es geht auch anders». edition a. Wien 2023. 119 Seiten. 30 Franken.

Es ist nicht Karl Marx oder gar Wladimir Iljitsch Lenin, der Elke Kahr als wichtigste Inspirationsquelle dient, sondern John Lennon. Das suggeriert zumindest ihr aus Interviews komponiertes Buch, in dem die KPÖ-Bürgermeisterin von Graz zu erklären versucht, was sie unter Kommunismus versteht. In der utopischen Ballade «Imagine» findet sie das Idealbild einer kommunistischen Welt ohne Ausbeutung und Krieg. Kein Wunder, dass Elke Kahr solche Bilder bemüht. Bevor es um Inhalte geht, muss sie sich in praktisch jedem Interview zuerst einmal vom Stalinismus distanzieren und zuletzt auch klar zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Stellung beziehen.

Das tut sie auch in diesem Büchlein mit kaum hundert Seiten Text: «Wladimir Putin hat einen jahrelangen Frieden auf unserem Kontinent zerstört. Er schmückt sich mit den Insignien der Sowjetunion, aber er ist kein Sozialist.» Auch ihre Partei nimmt sie nicht aus der Pflicht. Deren Schweigen zu den Gräueln des Stalinismus habe «sicher nicht dazu beigetragen, ihr Ansehen in Österreich zu stärken». Ihren Beitritt zur KPÖ als junge Frau erklärt Kahr damit, dass ihr viele Leute gesagt hätten, sie spreche wie eine Kommunistin. Darauf habe sie die KPÖ im Telefonbuch nachgeschlagen und dort das Gespräch gesucht.

Dass auch die Bevölkerung die Berührungsängste verliert, zeigten die Grazer Kommunalwahlen von 2021, als Elke Kahr zur Bürgermeisterin der zweitgrössten Stadt Österreichs gewählt wurde. Bereiche wie Arbeit, Bildung, Umwelt, Umverteilung und Demokratie werden im Buch jeweils auf wenigen Seiten abgehakt. Aber das Geheimnis von Elke Kahr sind ihre Nahbarkeit und ihre Bereitschaft, zu helfen. Drei Viertel ihres Nettoeinkommens fliessen in einen Sozialtopf für soziale Notlagen (siehe «wobei» Nr. 4/22). «Unsere Bürgermeisterin hat ein Helfersyndrom», spottet das sozialkritische Theater im Bahnhof in Graz. Aber das Rezept funktioniert: In der Stadt Salzburg wurde die KPÖ plus, ein Bündnis mit den Jungen Grünen, Ende April zur zweitstärksten Kraft.