Affekt: Gebrauchte Männer, waschbare Teppiche

Nr. 22 –

«Beckenboden stärken in nur 22 Minuten» oder «Ausgehen mit den Mädels war noch nie so fruchtig wie mit Eve Litchi»: Solch interessante Angebote verirren sich immer häufiger in meine Facebook-Timeline. Sie drängen sich beim Scrollen zwischen die Ferienbilder meiner Ü45-Freund:innen – der letzten Generation, die sich im Jahr 2023 noch auf diesem sozialen Netzwerk tummelt. Zwischen Strandbildern, Fotos ihrer Koch- und Backkünste und Anekdoten aus dem Alltag mit ihren Kindern tauchen dann regelmässig Parolen auf wie: «Tschüss Keime und Gerüche. Waschbare Teppiche sind da, die ihrem Namen alle Ehre machen.»

Der Algorithmus spült den Nutzer:innen eine grosse Zahl bezahlte Posts rein, die, so verspricht Facebook, möglichst auf die Zielperson ausgerichtet seien. Ich bin mir ja einiges gewohnt, was mich als Zielgruppe angeht, und doch staunte ich letzthin nicht schlecht, als das Bild einer Gruppe johlender, naturverbunden wirkender Männer in meiner Timeline auftauchte. Einer von ihnen stösst dynamisch einen (selbstgeschnitzten?) Holzspeer gen Himmel, ein zweiter kniet mit anderen vorne im Bild und spuckt Feuer, ein dritter steht auf dem Kopf, zwischen seinen gespreizten Beinen hindurch strahlt stolz ein anderer Mann. Der Text zum Bild: «Du fragst dich schon länger, was es braucht, um deinem Mannsein einen kraftvollen Schub zu verpassen?»

Was es braucht, verrät die dazugehörige Website dann sofort: ein Training, einen Tribe, einen Retreat oder sogar ein Initiationscamp bei «Men Spirit». Hier treffen sich bewusste Männer, und jeder einzelne hat die Möglichkeit, «sich mit seinem wahren Wesenskern zu verbinden». Denn: «Die Welt braucht Männer, die mit neuem Bewusstsein vorangehen. […] Männer, die klar sind und sich authentisch zeigen. […] Männer, die aus ihrem Herzen schöpfen und wirken. Männer, die da sind, wenn sie gebraucht werden!»

Vielleicht kaufe ich mir tatsächlich bald einen waschbaren, geruchsneutralen Teppich.

Die Kurse heissen wohl nur deshalb nicht «Gender-Retreats», weil sie sonst von ihrer Zielgruppe bekämpft würden.