Jürgen Klopp: «The Dosen one»
Im Frühjahr hatte Jürgen Klopp seinen Job beim englischen Premier-League-Club FC Liverpool an den Nagel gehängt und sich in eine Auszeit verabschiedet. Seither rätselte zumindest die am Fussball interessierte Welt, wohin die Wege des prominentesten deutschen Fussballtrainers wohl in Zukunft führen würden. Gestern wurde nun bekannt: Klopp wird ab Januar den Posten des «Global Head of Soccer» beim österreichischen Getränkekonzern Red Bull bekleiden.
Ausgerechnet Red Bull! Der Energydrink-Hersteller pumpt seit knapp zwei Jahrzehnten viel Geld in den Fussball, wobei es dem Unternehmen dabei selbstredend primär darum geht, die eigene Marke zu pushen. Inzwischen hat es gleich mehrere hochklassige Teams im Portfolio, unter anderem in Leipzig, Salzburg und New York (und nach jüngsten Medienberichten womöglich bald auch in Paris).
Deswegen ist die Marke Red Bull unter Fans – insbesondere im organisierten Teil der Szene – das Hassobjekt schlechthin. Sie steht für ungezügelte Kommerzialisierung, für eine Idee von Sport, bei der man mit viel Geld Erfolge kauft, um so dann noch mehr Geld verdienen zu können. Dass jetzt ausgerechnet der international sehr populäre Klopp dort anheuert, der zuvor Klubs wie Liverpool oder Borussia Dortmund zu Erfolgen geführt hat – Vereine mit langer Tradition und riesiger Anhänger:innenschaft –, stösst vielen bitter auf.
So verglich ein Nutzer auf dem sozialen Netzwerk X die jüngste Etappe in Klopps Werdegang mit der Transformation des wackeren Jedi-Ritters Anakin Skywalker zum galaktischen Oberschurken Darth Vader, ein anderer verpasst ihm den Spottnamen «The Dosen one» (in Anspielung darauf, dass sich Klopp einst in England bodenständig als «The normal one» vorstellte). Ein Dritter schrieb mit weniger Witz, aber nicht minder empört: «Gestern, heute und morgen: Keine Akzeptanz für RB!», dazu ein Foto eines Stadionbanners mit dem Aufdruck: «Die Ware Fussball ist nicht der wahre Fussball».
Nun ist Red Bull sicher nicht allein verantwortlich für die vielen Fehlentwicklungen im Profifussball von heute. Trotzdem speist es sich nicht bloss aus romantischer Verklärung der Vergangenheit, wenn der Konzern vielen stellvertretend für herrschende Missstände im Spitzensport steht. So ist es legitim, sich zu fragen, ob es denn wirklich sein muss, dass ein am Flipchart entworfenes Produkt wie RB Leipzig längst um grosse Titel mitspielt, während Vereine wie der 1. FC Kaiserslautern, deren Entwicklung ganze Regionen elektrisieren können, unterklassig darben.
Das Tragische ist: Es wäre ja nicht undenkbar, den Profifussball endlich ordentlich zu regulieren, um finanzstarke Akteure wie Red Bull oder irgendwelche arabischen Oligarchen aus dem Markt zu drängen. Damit würde schlicht das öffentliche Interesse gegenüber Kapitalinteressen verteidigt, denn abgesehen von einigen überreichen Individuen hat niemand etwas davon, wenn Konzerne einen Sport, der offenkundig sehr viele affektiv anspricht, als Marketingmaschine ausbeuten. Dass sich Leute daran stören, dass genau das nicht passiert, ist eigentlich eine frohe Botschaft – egal, wie sehr Klopp, der immer schon viel Eifer an den Tag legte, wenn es darum ging, mit Werbung Geld zu verdienen, dabei bloss als Projektionsfläche dient.
Hörenswert zum Thema ist der fünfteilige Podcast «Rasenball: Red Bull und der moderne Fussball» (MDR, 2023).