«Fünfzig Jahre Nelken­revolution»

Trams der Lissabonner Tramline Nr. 28

Vom Sturz des portugiesischen Salazar-Regimes zum Diktat der Troika und zu den Bewegungen heute

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Liebe Leserin, lieber Leser

Wir freuen uns über das rege Interesse an unserer WOZ-Leser:innenreise nach Portugal. Leider ist sie schon ausgebucht. Gerne nehmen wir Sie aber auf die Warteliste und benachrichtigen Sie, falls kurzfristig jemand abspringen sollte. Schreiben Sie uns dafür Ihren Namen, Ihre Adresse, Ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse an unterwegs@woz.ch.

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Ihr WOZunterwegs-Team

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Das erste Signal ertönte am Mittwochabend um 22.55 Uhr, als der portugiesische Rundfunk das Liebeslied «Und nach dem Abschied» sendete. Das zweite Zeichen kam anderthalb Stunden später, am frühen Morgen des 25. April 1974. Es war wieder ein Song: Das katholische Rádio Renascença schickte das verbotene Lied «Grândola, Vila Morena» (mit der Textzeile «Das Volk regiert») über den Äther. Was dann folgte, war ein perfekt organisierter Aufstand gegen die damals älteste Diktatur in Europa, ausgeführt vom linken Movimento das Forças Armadas, der Bewegung der Streitkräfte. Ihr gehörten vor allem junge Militärs an, die in Portugals brutalen Kolonialkriegen politisiert worden waren und die innert Stunden Ministerien, TV- und Radiosender sowie den Flughafen besetzten.

Dass die Erhebung weitgehend gewaltfrei verlief, ist auch den jubelnden Massen zu verdanken, die die Aufständischen begleiteten, in grosser Zahl durch die Strassen zogen und Nelken – das Symbol der internationalen Arbeiter:innenbewegung – in Gewehrläufe steckten.

«Sofortiges Ende des Kolonialkriegs» war eine zentrale Forderung auf den Kundgebungen gewesen, die Bevölkerung verlangte zudem eine Amnestie für die rund 100 000 Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, die vielfach ins Exil gegangen waren. Die Revolution änderte vieles: Die Fahnenflüchtigen gingen straffrei aus, die Kolonien (darunter Guinea-Bissau, Angola, Moçambique, Kap Verde und Portugiesisch-Timor) errangen 1974/75 ihre Unabhängigkeit, für den Frühling 1976 waren Parlamentswahlen angesetzt.

Der Westen zeigte sich allerdings alarmiert: Entstand da aus dem Meer an Nelken ein kommunistisches Experiment? Vor allem die westdeutsche SPD setzte viele Hebel in Bewegung – mit Erfolg. Die neu gegründete Sozialistische Partei (PS) gewann die Wahlen, während die schon lange gegen die faschistische Herrschaft aktive Kommunistische Partei (PCP) eine Niederlage hinnehmen musste.

Wie war das damals, als die Nelkenrevolution ausbrach? Was erhofften sich die Portugies:innen? Und was folgte seither?

Diesen Fragen wollen wir auf unserer Reise nachgehen. Wir beginnen sie auf dem Land: Ohne einen Blick auf die Landwirtschaft, die Lebensumstände in der Provinz und die Agrarbewegungen ist Portugal nicht zu verstehen. Von Beja aus, dem Hauptort des Baixo Alentejo (des «Unteren Alentejo»), besuchen wir Kleinstädte und Dörfer, erfahren von den Kämpfen der Landarbeiter:innen und begreifen die für die Region so wichtige regionale Gesangstradition. Wir wandern durch eine von Korkeichen, Olivenplantagen, Weinstöcken und weiss gekalkten Dörfern geprägte Gegend, sehen den von EU-Vorgaben geprägten Strukturwandel hin zu einer superintensiven Agrarökonomie und fragen nach neuen Initiativen. 

Was von den Träumen einer gerechteren Welt nach dem EU-Beitritt (1986) und dem Diktat der Troika (2011–2014) übrig geblieben ist, hören und sehen wir dann in Lissabon, der Hauptstadt des zentralistisch strukturierten Landes. Gegen den Sozialabbau und Privatisierungsdruck der EU waren ab 2013 Hunderttausende auf die Strassen gegangen, die Proteste führten 2015 zur Abwahl der konservativen Sozialdemokratischen Partei, seither regiert die sozialdemokratische Sozialistische Partei mit unterschiedlichen Parteien, darunter eine Legislaturperiode lang auch mit dem Linksblock Bloco de Esquerda und der PCP.

Wie war das damals im April 1974, als der grosse Umbruch Selbstbestimmung und Freiheit in greifbare Nähe rückte? Welche Fortschritte brachte der mit dem EU-Beitritt einhergehende wirtschaftliche Aufschwung beispielsweise im Gesundheits- und Bildungssystem? Wie sehr traf die Finanzmarktkrise die Bevölkerung? Wie früher wandern wieder viele junge Portugies:innen aus, weil sie keine Zukunft mehr sehen. Und doch hat sich manches geändert: Im Bereich Drogenpolitik gilt das Land als vorbildlich, migrantische Selbsthilfeorganisationen kämpfen für ein besseres Leben, kulturelle und soziale Initiativen sorgen dafür, dass sich die Bevölkerung auch künftig nicht alles gefallen lässt. Und dann sind da noch die aktiven linken Parteienbündnisse, die eine sozial-ökologische Transformation anstreben.

Wir spazieren durch Quartiere, besuchen Museen und Sozialzentren, treffen Aktivist:innen, diskutieren mit Historikern und linken Politikerinnen über frühere und aktuelle Konflikte – und erleben so ein Portugal, wie es nur wenige kennen.

Friederike Heuer / Pit Wuhrer

Reisedaten

7. bis 14. Oktober 2023

Programm

Das detaillierte Reiseprogramm als PDF-Datei zum Download

Unterkunft / Preise /  Leistungen

Preise pro Person (inklusive Frühstück)

Beja: Hotel Santa Barbara (www.hotelsantabarbara.pt)
Lissabon: Hotel Grande Pensão Residencial Alcobia (http://grande-pensao-residencial-alcobia.lisbon-hotel.org/en/)

Doppelzimmer: Fr. 1700.–
Einzelzimmer: Fr. 1900.–

Nur Programm: Fr. 1350.–

Die Hinreise nach Beja und die Rückreise von Lissabon müssen individuell organisiert werden und sind nicht im Preis inbegriffen.  

Die angegebenen Preise sind Richtpreise, die sich je nach Wechselkurs und Anzahl Teilnehmer:innen noch leicht ändern können. Individuelle Wünsche wie zum Beispiel Aufenthaltsverlängerungen können Sie bei der Anmeldung im Bemerkungsfeld angeben. Wir versuchen, diese zu organisieren, können aber keine Garantie dafür abgeben. Wir informieren Sie jeweils so bald wie möglich. Die Reise von Beja nach Lissabon sowie die im Programm ausgewiesenen Mahlzeiten sind im Reisepreis inbegriffen. Auf dem Programm finden Sie die entsprechenden Hinweise.

Die Reise wird fotografisch dokumentiert. Ausserdem nehmen wir – wenn möglich – die Referate und Gespräche auf. Die Bilder und Tonaufnahmen werden allen Mitreisenden später zur Verfügung gestellt.

Bei Fragen zu dieser Reise wenden Sie sich per E-Mail an unterwegs@woz.ch oder rufen Sie uns an: +41 44 448 14 83. Wir freuen uns, wenn Sie mit uns reisen.

Anmeldeschluss ist der 2. Mai 2023.

Literatur

Eine ausführliche Literaturliste als PDF-Datei zum Download.

AGBs für die Reisen

Allgemeine Geschäftsbedingungen für die «WOZunterwegs»-Reisen als PDF-Datei zum Download

Demonstration in Porto (1983) zur Erinnerung an die Nelkenrevolution 1974
Demonstration in Porto (1983) zur Erinnerung an die Nelkenrevolution 1974. Foto: Henrique_Matos, CC BY 2.5, commons.wikimedia.org
Frauenchor im Alentejo
Lieder gehören zum Widerstand: Frauenchor im Alentejo. Foto: Friederike Heuer
Olivenernte im Alentejo
Olivenernte im Alentejo. Foto: Friederike Heuer
der Tejo bei Lissabon, im Hintergrund die Brücke des 25. April
Der Tejo bei Lissabon. Im Hintergrund die Brücke des 25. April. Foto: Friederike Heuer