WOZunterwegs: «Das zerrissene Ostdeutschland»

WOZ-Leser:innenreise vom 6. bis 13. August 2022

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Liebe Leserin, lieber Leser

Wir freuen uns über das rege Interesse an unserer WOZ-Leser:innenreise nach Ostdeutschland. Leider ist sie schon ausgebucht. Gerne nehmen wir Sie aber auf die Warteliste und benachrichtigen Sie, falls kurzfristig jemand abspringen sollte. Schreiben Sie uns dafür Ihren Namen, Ihre Adresse, Ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse an unterwegs@woz.ch.

Herzliche Grüsse
Ihr WOZunterwegs-Team

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Enttäuschte Hoffnungen, rechtsextreme Umtriebe, mutige Zivilgesellschaft

Es war vor allem Hoffnung gewesen, die im Herbst 1989 immer mehr Menschen auf die Strassen trieb – zuerst in Leipzig, wo sich bereits im September Protestierende versammelt hatten, und am 9. Oktober, kurz nach dem 40. Jahrestag der DDR, 70 000 demonstrierten. Noch viel mehr kamen am 4. November auf dem Ostberliner Alexanderplatz zusammen. Die meisten wollten weder den Anschluss an die BRD noch eine bedingungslose Wiedervereinigung; sie forderten etwas ganz anderes: eine bessere DDR, einen demokratischen Sozialismus, ein humanes Wirtschaftssystem, das «Alternativen zur westlichen Konsumgesellschaft» entwickelt, für «deren Wohlstand die übrige Welt bezahlen muss» (wie es im Gründungsaufruf der Bürger:innenbewegung «Demokratie jetzt» hiess).

Die Bürgerrechtler:innen hofften vergebens. Statt einer menschlichen Gesellschaft kamen Währungsunion und Wiedervereinigung, kamen «Besserwessis» und die Treuhand, die binnen kurzem 9000 volkseigene Betriebe mit insgesamt 4,1 Millionen Arbeitsplätzen privatisierte und liquidierte. Was folgte, war eine Ernüchterung, die den Osten Deutschlands noch heute prägt: Millionen verloren ihre Jobs; soziale Errungenschaften wurden abgebaut; die «Ossis» empfanden sich bald als Bürger:innen zweiter Klasse, die noch immer länger arbeiten müssen als die Lohnabhängigen im Westen und die weniger verdienen.

Wie war das damals, Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre? Was brachte Hunderttausende dazu, gegen ein Regime zu rebellieren, das Jahrzehnte zuvor, in der Nachkriegszeit, ein besseres Deutschland hatte schaffen wollen? Welche Fehler wurden da gemacht? Wie sah der Antifaschismus aus, den die DDR-Führung zwar propagierte, aber offenbar nur vor sich hertrug?

Heute ist der Osten Deutschlands zerrissener denn je. Dazu trug erheblich die Rechtsentwicklung eines Teils der Bevölkerung bei. Die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), die rassistischen Pegida-Aufmärsche, die Hetzjagden auf Ausländer:innen, die Umtriebe rechtsextremer Gruppen, die Wahlerfolge der faschistoiden AfD – all das machte Schlagzeilen. Woher kommen diese Tendenzen, die längst auch Staatsorgane (wie den Verfassungsschutz oder die Polizei) erfasst haben?

Weit weniger häufig ist von Gegenbewegungen zu hören und zu lesen. Dass es eine linke Subkultur gibt, taucht nur dann in den Medien auf, wenn – wie an Silvester 2019/20 – die sächsische Polizei ein Quartier wie Leipzig-Connewitz aufmischt. Dass rechte Aufmärsche nicht unwidersprochen bleiben, dass es zu jeder Nazikundgebung eine grössere Gegendemo gibt, dass sich auch in Ostdeutschland viele Antifaschist:innen in oft mühsamer Basisarbeit engagieren und Zivilcourage zeigen – das bleibt oft unerzählt.

Wie gehen jene mit den derzeitigen Verhältnissen um, die vor dreissig Jahren für einen demokratischen Sozialismus kämpften? Was sagen die Jungen heute? Wie erklären sie sich die bedrohlichen rechtsnationalistischen Entwicklungen? Was daran ist auf die Machtübernahme des westdeutschen Kapitals, der westdeutschen Eliten zurückzuführen, was ist hausgemacht?

Wir treffen in Leipzig und Ostberlin Zeitzeug:innen der 1989er–Erhebung, debattieren mit Historiker:innen, sprechen mit gefeuerten Arbeiter:innen, spazieren durch ehemalige und aktuelle Brennpunkte der Auseinandersetzungen, begegnen Antifa-Aktivist:innen und erleben ein Ostdeutschland, wie es nur wenige kennen. Reisen Sie mit!

Pit Wuhrer

Alle WOZ-Reisen im 2022: Ostdeutschland | Barcelona | Kreta

Reisedaten

6. bis 13. August 2022

Programm

Das detaillierte Reiseprogramm als PDF zum Download

Unterkunft / Preise / Leistungen

Preise pro Person (inklusive Frühstück)

Leipzig: Hotel Alt-Connewitz (www.alt-connewitz.de)
Berlin: Leonardo-Royal-Hotel (www.leonardo-hotels.de)
Doppelzimmer: 2100.– CHF
Einzelzimmer: 2300.– CHF

Nur Programm: 1800.– CHF

Die Hin- und die Rückreise nach Leipzig und ab Berlin müssen individuell organisiert werden und sind nicht im Preis inbegriffen. Aufgrund der vielen Sparpreise, die angeboten werden, haben wir uns für diesen Schritt entschieden.

Die angegebenen Preise sind Richtpreise, die sich je nach Wechselkurs und Anzahl Teilnehmer:innen noch leicht ändern können. Individuelle Wünsche wie zum Beispiel Aufenthaltsverlängerungen können Sie bei der Anmeldung im Bemerkungsfeld angeben. Wir versuchen, diese zu berücksichtigen, können aber keine Garantie dafür abgeben. Wir informieren Sie jeweils so bald wie möglich. Die Zugreise von Leipzig nach Berlin sowie drei gemeinsame Mahlzeiten sind im Reisepreis inbegriffen. Auf dem Programm finden Sie die entsprechenden Hinweise.

Die Reise wird fotografisch dokumentiert. Ausserdem nehmen wir – wenn möglich – die Referate und die Gespräche auf. Die Bilder und die Tonaufnahmen werden allen Mitreisenden später zur Verfügung gestellt.

Bitte beachten Sie, dass die Zahl der Reiseteilnehmer:innen beschränkt ist. Eine frühzeitige Anmeldung lohnt sich, da einzelne Reisen jeweils schnell ausgebucht sind.
Für den Fall, dass die Mindestzahl Reisender unterschritten wird, behält sich die WOZ eine Verschiebung oder Stornierung der Reise vor. Kurz nach dem Anmeldeschluss wird Ihnen mitgeteilt, ob die Reise stattfindet.

Bei Fragen zu dieser Reise wenden Sie sich per E-Mail an unterwegs@woz.ch oder rufen Sie uns an: +41 (0)44 448 14 83. Wir freuen uns, wenn Sie mit uns reisen.

Literatur

Belletristik:

  • Maxim Leo: «Haltet euer Herz bereit. Eine ostdeutsche Familiengeschichte». Wilhelm Heyne Verlag, München 2009.
  • Marion Brasch: «Ab jetzt ist Ruhe: Roman meiner fabelhaften Familie». S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2012.
  • Peter Richter: «89/90». Luchterhand Verlag, München 2017.
  • André Herzberg: «Alle Nähe fern». Ullstein Verlag, Berlin 2015.
  • Clemens Meyer: «Als wir träumten». S. Fischer Verlag, Frankfurt/M 2016.
  • Manja Präkels: «Als ich mit Hitler Schnapskirschen ass». Verbrecher Verlag, Berlin 2017.
  • Katja Oskamp: «Marzahn, mon amour: Geschichten einer Fusspflegerin». Hanser, Berlin 2019.
  • Lea Streisand: «Hufeland, Ecke Bötzow». Ullstein Verlag, Berlin 2019.

Sachbücher und -texte:

  • Zu den Lebensverhältnissen und der Geschichte der Wiedervereinigung sind zahllose Publikationen erschienen. Hier eine kleine Auswahl:
  • Renate Hürtgen: «FrauenWende – WendeFrauen. Frauen in den ersten betrieblichen Interessenvertretungen der neuen Bundesländer». Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1997.
  • Renate Hürtgen & Bernd Gehrke (Hg.): «Der betriebliche Aufbruch im Herbst 1989: Die unbekannte Seite der DDR-Revolution. Diskussion – Analysen – Dokumente». Bildungswerk Berlin der HBS, Berlin 2001.
  • Renate Hürtgen, Bernd Gehrke, Thomas Klein: «… feindlich-negative Elemente … Repression gegen die linke und emanzipatorische Bewegungen in der DDR». Abrufbar unter (PDF-Datei): https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Materialien/Materiali…
  • Patrick Bauer: «Der 4. November 1989 und seine Geschichte. Der Traum ist aus. Aber wir werden alles geben, dass er Wirklichkeit wird». Rowohlt Verlag, Hamburg 2019.
  • Zum 4. November siehe auch den Beitrag im Magazin der «Süddeutschen Zeitung»: «Der schönste Tag der DDR». Online abrufbar: https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/4-november-der-schoens…
  • Manja Präkels: «Sie fühlen es nur nicht». In: «Was blüht dem Dorf? Demokratieentwicklung auf dem Land» (2019). Seite 11–15. Abrufbar unter (PDF-Datei): https://www.bundesverband-mobile-beratung.de/wp-content/uploads/2019/07…
  • Karsten Krampitz: «1976. Die DDR in der Krise». Verbrecher Verlag, Berlin 2016.
  • Stefan Bollinger: «Die Revolution für den Sozialismus kam zu spät. 1989 zwischen letzter Chance und Thermidor». Abrufbar unter (PDF-Datei): https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/108_Bollinger.pdf
  • Wolfgang Engler: «Die Ostdeutschen und die Demokratie». Ein Papier der Rosa-Luxemburg-Stiftung (PDF-Datei): https://www.rosalux.de/fileadmin/images/Dossiers/30_Jahre_89/Publ_Die_O…
  • Matthias Quent: «Deutschland rechts aussen. Wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können». Piper Verlag, München 2019.
  • Daniela Dahn: «Westwärts und nicht vergessen. Vom Unbehagen in der Einheit». Rowohlt Verlag, Hamburg 1997.
  • Daniela Dahn: «Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit – eine Abrechnung». Rowohlt Verlag, Hamburg 2019.
  • Maldekstra, Globale Perspektiven von links. Zeitschrift der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Nummer 6: « Über die 30 Jahre nach 1989». Online abrufbar (PDF-Datei): https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/maldekstra/maldekstra…
  • Rohnstock-Biografien: «Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale». Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung. 2019. Abrufbar unter (PDF-Datei): https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/T…

Radiobeiträge und Features: