Senegal: Sieg der linken Opposition

Sie kommen aus dem Feiern in diesen Tagen nicht mehr heraus, die Anhänger:innen von Bassirou Diomaye Faye. Bereits wenige Stunden nach Schliessung der Wahllokale am Sonntag begannen in der Hauptstadt Dakar und anderen grösseren Städten des Senegals die ersten Partys. Eine amtliche Gewissheit, dass der fünfte Präsident der Republik der 44-jährige Faye ist, gibt es zwar noch nicht; er soll nach aktuellem Stand rund 57 Prozent der Stimmen erhalten haben. Am Montagnachmittag gratulierte ihm allerdings Amadou Ba (62), Kandidat der Regierungskoalition Benno Bokk Yakaar (BBY; Wolof für: «in Hoffnung vereint») und bisheriger Premierminister, öffentlich. Das Signal hätte deutlicher nicht sein können. Senegals Machthaber mussten ihre grosse Niederlage eingestehen.

Grösster Verlierer ist allerdings nicht Ba, sondern der bisherige Präsident Macky Sall (62). Er hatte die für 25. Februar geplante Wahl kurzerhand abgesagt. Bei landesweiten Protesten starben in der Folge vier Menschen. Das Verfassungsgericht verfügte schliesslich, dass bis zum 2. April, dem Ende von Salls Amtszeit, gewählt werden müsse.

Dass Faye in dieser kurzen Zeit zu solch enormer Popularität kam, ist eine Überraschung. Eigentlich ist – vor allem bei jungen Senegales:innen – der beliebteste Politiker des Landes Ousmane Sonko, dessen Kandidatur aufgrund einer Verurteilung wegen «Verführung der Jugend» im letzten Jahr nicht genehmigt wurde. Nun stellte er sich demonstrativ hinter Faye, der ebenfalls der 2023 verbotenen Partei Pastef (Patriotes africains du Sénégal pour le travail, l'éthique et la fraternité) angehörte; in der künftigen Regierung dürfte Sonko eine zentrale Rolle einnehmen. Möglicherweise wird er Premierminister.

Nur gerade zehn Tage hatten die beiden Zeit, um landesweit Wahlkampf zu machen. Beide sassen nämlich seit letztem Jahr im Gefängnis. Entlassen wurden sie Mitte März aufgrund eines neuen Amnestiegesetzes; auch dieses gilt als Zeichen dafür, dass Sall die Hoffnung auf einen ihm gefälligen Nachfolger bereits aufgegeben hatte.

Bassirou Diomaye Faye hat Rechtswissenschaften studiert, die prestigeträchtige Verwaltungsschule Ena (École nationale d’administration du Sénégal) besucht und arbeitete zuletzt in der Zollverwaltung. Er kennt also die Behörden. Vor der Wahl präsentierte er sich als «Kandidat für den Systemwechsel», der auf linken Panafrikanismus setzt. Wie so ziemlich alle Kandidierenden angekündigt hatten, will auch er die Korruption bekämpfen und die Industrialisierung vorantreiben, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Senegal müsse allerdings auch unabhängiger von Europa werden, hat Faye versprochen. Dazu gehöre, dass Verträge über die natürlichen Ressourcen des Landes, etwa Erdgas, neu zu verhandeln seien. Auch wolle er sich für die Einführung einer eigenen Währung einsetzen, da der westafrikanische Franc CFA, der in acht Ländern genutzt wird, an den Euro gekoppelt ist. Es sind Ankündigungen, die sich derzeit in weiten Teilen Westafrikas grosser Beliebtheit erfreuen.

Zu einer kompletten Abkehr von Europa und der einstigen Kolonialmacht Frankreich dürfte es unter Faye aber kaum kommen. Zu sehr ist der Senegal auf internationale Investitionen angewiesen. Als Bassirou Diomaye Faye am Sonntag in seinem Heimatort N’Diaganiao seine Stimme abgab, nannte er denn auch eine ganz andere Priorität: Nach den Tumulten der vergangenen Wochen müsse für die achtzehn Millionen Einwohner:innen im Senegal endlich wieder der Alltag einkehren.