Parlament: «Mein Name ist Hase»

Nr. 51 –

Am Schluss der Herbstsession in Flims bemalten die ParlamentarierInnen ihr Pult für einen wohltätigen Zweck. In den Zeichnungen und Texten wird klar: Es waren drei schöne Wochen in den Bergen.

Alle bekamen dicke Filzstifte, um ihre Arbeitspulte zu gestalten und zu beschriften. Einige waren müde und ein bisschen faul. Sie setzten nur ihre Unterschriften auf die Ikea-Tischchen, zum Beispiel Ruedi Noser (FDP, ZH), Christiane Langenberger (FDP, VD) und Mario Fehr (SP, ZH). Toni Bortoluzzi (SVP, ZH) schrieb seinen Namen unter die Worte «NR Bortoluzzi». Andere waren fleissiger. Ständerat Christoffel Brändli (SVP, GR) beschriftete gleich zwei Pulte. Die meisten waren brav und zeichneten Herzen und Blümchen und Kantonswappen, Barbara Marty Kälin (SP, ZH) sogar zwei Katzen mit acht Mäuschen. «Es war super! Danke», schrieb Daniel Vischer (Grüne, ZH). Alle dankten. Im Bündnerland, wo «freundliche, liebenswürdige Menschen zu leben scheinen» (Marianne Kleiner, FDP, AR), fühlten sie sich wohl: «Wir waren zu Gast bei Freunden. Grazie, Merci, Danke, Grazie Flims, ich komme wieder!», schrieb Chantal Galladé (SP, ZH). Markus Hutter (FDP, ZH) spürte sogar grosse Liebe, «never ending love for Flem».

In den drei Wochen in den Bergen hatte das Schweizer Parlament viel erlebt. Die ParlamentarierInnen waren mit Ballonen in die Luft gestiegen und hatten Sport getrieben: «Flims ist schön! FC Safiental gegen FC Nationalrat 4:4 - ein tolles Spiel!», notierte Urs Bernhardsgrütter (Grüne, SG). Jasmin Hutter (SVP, SG) bemalte ihr ganzes Pult mit romantschen Vokabeln und war sehr stolz: «Der Beweis ... ich habe viel gelernt in Flem!» Silvia Schenker (SP, BS) war glücklich: «Die Steinziege aus der Stadt» hatte sich in Flims «wie ein Fisch im Wasser» gefühlt.

Und dann noch die aufregende Politik! Nationalrat Ulrich Giezendanner (SVP, AG) war nach der Session noch immer aus dem Häuschen: «IN DIESER SESSION HABEN WIR NOCH MEHR Geld FÜR DIE BAHNEN beschlossen (INFRASTRUKTURFOND) Wer nur soll das alles BEZAHLEN Wir kämpfen weiter gegen diesen UNSINN!! DIE NEAT KÖNNEN WIR NICHT MEHR BEZAHLEN. DIE PORTA ALPINA IST DIE KRONE DIESER FEHLPLANUNG. Der Fuhrhalter der Nation grüsst Graubünden.» Sein Kollege Max Binder (SVP, ZH) hatte etwas anderes mitzuteilen: «Mein Name ist Hase, ich brauche Schweizer Holz! Bravo: ein grosses Kompliment und Dankeschön dem Flimser Forstdienst! Max Binder, a. Nat.ratspräs.»

Beim Abschied waren viele traurig. Yves Christen (FDP, VD) schrieb auswendig ein Gedicht auf: «Ich weiss nicht was soll es bedeuten / Dass Ich so traurig bin / Ein Märchen aus alten Zeiten / Das kommt Mir nicht aus dem Sinn. Schiller.» (Falsch. Das Gedicht ist von Heinrich Heine.) Auch Hildegard Fässler von der SP war traurig: «Wohin sind die Sonnen- und Regentage von Flims entschwunden? Erinnerungen werden bleiben.» Einige hofften, dass man in Kontakt bleibt. Gerold Bührer (FDP, SH) schrieb seine private Telefonnummer auf, sein Kollege Rudolf Steiner (FDP, SO) die Geschäftsnummer und den Wohnort.

Andere gaben Lebenstipps, sogar auf Latein. «Carpe diem», das gefiel «Pascale» (Bruderer, SP, AG) gut und auch Erwin Jutzet (SP, FR). Geri Müller (Grüne, AG) schrieb: «Das Leben lieben, die Liebe leben. Herzlichen Dank.» Und auch Christian Waber (EVP, BE) verriet ein interessantes Motto: «Wer sich leiten lässt, geht nicht irre!»

Einige Parlamentarier dichten sogar, am liebsten zu ihrem eigenen Namen: «Da hocket de Pur Glur» reimte der Nationalrat Walter Glur (SVP, AG), und sein Kollege Simon Schenk (SVP, BE) schrieb: «Ein Berner namens Simon Schenk / fand die Sessiun in Flims ein ‹Gschenk› ...» An Stiere und Böcke dachte Ständerat Hansheiri Inderkum (CVP, UR): «An diesem Pult sass während der Sessiun (2006) / Ein Urner namens Inderkum. / Es grüsst der Urner Stier den Bündner Bock / und spannt mit ihm zusammen für eine gute Politik!» Auch Ständerat Bruno Frick (CVP, SZ) probierte es: «An diesem Tisch sass Bruno Frick / wartend auf den Geistesblitz!»

Die Session 2006 in Flims: Es war eine sehr schöne Schulreise.

Eine Auswahl der Bilder finden Sie hier: www.woz.ch/bildergalerie/

«Was für eine Gartenzwergidylle!»: Lesen Sie auch den Kommentar zu den ParlamentarierInnen-Zeichnungen und -Texten des Psychiaters Berthold Rothschild in der Printausgabe der WOZ.


Die von der Regiun Surselva organisierte Versteigerung der Pulte brachte 12779 Franken ein.