Personenrätsel: Die sanfte Ruhestörerin

Nr. 40 –

Sie hatte es kommen sehen: Vor der Hochzeit musste ihr Mann versprechen, sie zu unterstützen, falls sie eines Tages «daheim» gebraucht werde. Fünfzehn Jahre später war es so weit: Sie verliess die Familie und kehrte in die ehemalige britische Kolonie zurück, in der sie 1945 zur Welt gekommen war. Während die Menschen dort für demokratische Reformen auf die Strasse gingen und ein Militärregime das andere ablöste, scharte sie eine Gruppe Oppositioneller um sich und gründete eine Partei, deren Vorsitzende sie wurde. Das Leben der Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin veränderte sich dramatisch: 28 Jahre hatte sie in westlichen Demokratien gelebt; in Indien aufgewachsen, hatte sie in England studiert, in New York bei der Uno gearbeitet, in Japan geforscht. Nun verbrachte sie mehr Zeit im Arrest als in Freiheit. Dabei hätten die Machthaber sie viel lieber ausreisen sehen – den Gefallen wollte die Generalstochter ihnen jedoch nicht tun. Dafür lieben sie ihre Landsleute.

Um die Situation im Land zu verändern, benötige es Mitgefühl, hat sie einmal gesagt, denn nur wer seinen Gegner nicht hasst, könne die Angst vor ihm überwinden. Nicht einfach in einem Land, in dem die Bauern für den Export produzieren müssen, selber aber hungern; in dem Menschen für den Strassenbau zwangsrekrutiert und jederzeit vertrieben werden können, um Raum für touristische Anlagen zu schaffen; in dem überwacht, gefoltert wird. Niemals würde sie sich von jemandem distanzieren, der in dieser Situation zur Gewalt greift; dennoch setzt die unerschrockene Buddhistin konsequent auf gewaltlosen Widerstand - und wurde dafür mit einem Nobelpreis geehrt.

Wie heisst das «destruktive Element», das seit zwanzig Jahren östlich von Indien «die Ruhe der Nation» stört?

Wir fragten nach Aung San Suu Kyi. Sie ist die Tochter des burmesischen Freiheitshelden Aung San, der 1947 ermordet wurde. Mit kurzen Unterbrechungen steht sie seit 1989 unter Hausarrest. Derzeit steht die gesundheitlich angeschlagene Symbolfigur des burmesischen Widerstands wieder im Mittelpunkt des Interesses.