Generation Schwarzenbach ade: Von schwarzen Schafen

Nr. 49 –

Vor vierzig Jahren begann der Siegeszug der ausländerfeindlichen Nationalen Aktion. Nun sind deren letzte Epigonen von der Bühne verschwunden; heute betreibt die SVP ihr Geschäft.

Ein Kapitel Schweizer Politik ist abgeschlossen. 1967 wurde James Schwarzenbach erster Nationalrat der Nationalen Aktion (NA). Vierzig Jahre später sind seine letzten Epigonen aus dem Tempel gejagt: der 41-jährige Bernhard Hess, seit 1999 einziger und letzter Nationalrat der Schweizer Demokraten (der früheren NA), und der 63-jährige Ulrich Schlüer, einst Schwarzenbachs Sekretär. Seit Ueli Maurers Niederlage gegen Verena Diener bei den Zürcher Ständeratswahlen steht fest, dass der SVP-Fundamentalist nicht ins Parlament zurückrutschen wird.

Damit ist die Generation Schwarzenbach endgültig von Bord gespült; es braucht sie nicht mehr. Programmatisch und propagandistisch bewirtschaftet heute die SVP alles «Volksfremde» - intensiver denn je.

Schwarzenbach und Schlüer

1967 gelang der Nationalen Aktion gegen Überfremdung von Volk und Heimat mit dem ultrakonservativen Publizisten James Schwarzenbach der Sprung in den Nationalrat. Der Quereinsteiger wurde zur Gallionsfigur der Initiative «gegen Überfremdung». 46 Prozent der Schweizer Männer sagten 1970 Ja zur Schwarzenbach-Initiative, gegen die Nein-Parole aller Parteien, Medien und Verbände vom Vorort der Wirtschaft bis zum Gewerkschaftsbund.

Schwarzenbach war als Student Katholik geworden, hatte mit Zürcher Jungfröntlern den Radau gegen das Kabarett Pfeffermühle von Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach (seiner Cousine) angezettelt. Nach dem Krieg übersetzte und verlegte er das antisemitische Machwerk «Der grosse Plan der Anonymen», war publizistischer Eisbrecher für heimatlose Nazis (Erich Kerns «Der grosse Rausch») - Schwarzenbach hatte nach rechts nie Berührungsängste, wie Isabelle Drews Dissertation materialreich belegt (siehe WOZ 49/2006).

Dem Dr. phil. missfiel die Fixierung auf «die Überfremdung» rasch. Schwarzenbach kehrte der NA den Rücken und gründete die Republikanische Bewegung. Diese eroberte 1971 sensationelle sieben Nationalratssitze, die NA weitere vier. Sekretär der elfköpfigen Fraktion und der Republikanischen Bewegung wurde der junge Historiker Ulrich Schlüer, der zum engsten Vertrauten Schwarzenbachs avancierte.

Auffangbecken SVP

Bereits 1974 lebten sich die beiden Überfremdungsparteien auseinander, was die Bewegung nachhaltig schwächte. Als Schwarzenbach dann 1978 den Nationalrat und die Republikanische Bewegung verliess, verlor sich diese im braunen Unterholz und ging, von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, ein.

Prominente Republikaner hatten sich rechtzeitig zur SVP abgesetzt, etwa der Bülacher Verleger und Nationalrat Hans-Ulrich Graf oder der «Abendland»-Herausgeber und Aargauer Grossrat Herbert Meier.

Schlüer trat in die Fussstapfen seines Lehrmeisters und wurde Publizist und Verleger. Er führte Schwarzenbachs Blatt «Der Republikaner» 1979 fast nahtlos als «Schweizerzeit» weiter. Von seinem Lehrmeister habe er gelernt, erklärte er 1994 gegenüber der WOZ, «dass es der falsche Weg ist, das konservative Lager auf Parteiebene zu sammeln». Wichtiger sei ein eigenes Sprachrohr. Ganz Schwarzenbachs Jünger, hatte (und hat) auch Schlüer Kontakte zu Rechtsaussenkreisen in Deutschland und Österreich. Nebenher baute er die SVP Flaach auf. Erst 1995 wurde er SVP-Nationalrat. Und bald häufiger Gast in der SF-DRS-Sendung «Arena», wo er das Publikum seit Jahren fast so sehr nervt wie Christoph Mörgeli.

«Das Asylantenproblem auspressen»

Nach dem Abserbeln der Republikanischen Bewegung beackerte die NA ihr angestammtes Feld wieder konkurrenzlos - und konkurrenzlos radikal. Beim Versuch, die Partei auf einen ökonationalen Pfad zu lotsen, wurde Präsident Valentin Oehen von seinem Ziehsohn Markus Ruf ausgehebelt, der kurz und bündig propagierte: «Ich presse das Asylantenproblem aus wie eine Zitrone, solange es noch einen Tropfen hergibt.» Der junge Einpeitscher setzte sich durch, die knallharten Ausländerfeinde hatten wieder das Sagen.

Gleichzeitig versuchte die Partei aber auch das Segment der «gutschweizerischen Biedermänner» weiterzubedienen, ganz nach dem Motto: Fische in allen Teichen, solange das geht. Die Strategie des doppelten Gesichts erlitt Schiffbruch, als die nazihaften Tendenzen in der NA vom Bundesgericht mehr als deutlich qualifiziert wurden (vgl. Kasten).

Die Partei war gezwungen, ihr Doppelspiel aufzugeben. NA-Mitglieder wie Roger Wüthrich oder Marcel Strebel zogen aus und gründeten Neonazigruppen, während der neue Parteipräsident Rudolf Keller, unterstützt vom jungen Parteiaktivisten Bernhard Hess, den Namenswechsel erfolgreich vorantrieb. Seit 1990 nennt sich die Partei Schweizer Demokraten. Jean-Jacques Hegg, der das Parteiblatt «Volk + Heimat» redigierte, und weitere Mitglieder, deren Identität an «Aktion» und «national» hing, verstummten für Jahre.

Dass Keller - neben Schwarzenbach und Oehen der prägendste der NA-Präsidenten - eine panische Angst vor der «braunen Keule» entwickelte, ist historisch betrachtet pikant. Mitte der siebziger Jahre war der damals 18-jährige Präsident der Jungen NA mit von der Partie, als Pfarrer Gerd Zikeli, das NA-Mitglied Dr. phil. Konrad Hess (der Vater von Bernhard Hess), ein Zürcher NA-Kantonsrat und zwei, drei weitere Rechtsextremisten im Zürcher «Bahnhofbuffet» die Nationale Basis Schweiz aufgleisten, die erste Neonazigruppe der Schweiz.

SVP als Erbschleicher

Mit dem neuen Namen holten die Schweizer Demokraten 1991, im Vorfeld der EWR-Abstimmung, zum ersten Mal in ihrer Geschichte fünf Nationalratssitze. Es war ein letztes Aufbäumen vor dem Niedergang.

Schuld an der Agonie der Schweizer Demokaten ist in erster Linie der Aufstieg der straff geführten, grenzenlos gepolsterten SVP. Zur deren Strategie gehört auch das gezielte Beerben der Konkurrenz - im brüderlich verbundenen Freisinn, in den konservativen CVP-Stammlanden wie bei den rechten Kleinparteien.

Im Wahljahr 1999 erklärten Christoph Blocher und Christoph Mörgeli diesen Kannibalismus in aller Offenheit zum Programm. «Wenn die bürgerlichen Parteien richtig politisieren, darf es rechts von ihnen keine Partei geben», gab Christoph der Ältere der NZZ zu Protokoll. Christoph der Jüngere doppelte in der «Weltwoche» nach: «Eine demokratische Partei rechts von der SVP sollte es nicht geben.» Und meinte maliziös: «Wen man beerben will, behandelt man so freundlich wie eine Erbtante.»

Prompt konnten die SD bei den Nationalratswahlen 1999 nur noch ihren Berner Sitz halten. Als letzter Mohikaner nahm für acht Jahre der «Sozialpatriot» Bernhard Hess im Rat Platz. Dort blieb der National-Soziale eine Einzelmaske. Ausserparlamentarisch, etwa bei Unterschriftensammlungen, hatten die SD mehr Potenzial. Nicht zuletzt wegen Kontakten zur neonazistischen Gemeinschaft Avalon zeigte die SVP kein Interesse an Hess. Bei den diesjährigen Wahlen tauchte die Berner SDListe massiv, Hess faulte raus. Nun ist er nur noch Geschäftsführer einer Partei auf dem Sterbebett.

Heute presst die SVP die Zitrone aus

Dass SVP-Nationalrat Schlüer dieses Mal nur auf dem ersten Ersatzplatz landete, hat auch mit seinem Jahrgang zu tun. Der Flaachtaler ist drei Jahre älter als die ältesten Zürcher SVP-Nationalräte (aber immer noch vier Jahre jünger als der Bundesrat vom Herrliberg). Schlüer will, selbst wenn sich die Gelegenheit ergäbe, nicht mehr nachrutschen.

Weshalb findet sich im Lebenslauf auf www.schluer.ch die Schwarzenbach-Zeit mit keinem Wort? Dazu fiel Schlüer auf Anhieb keine Antwort ein. Obschon er nun zu seinen Wurzeln zurückkehrt, zum Publizistischen. Er wird mit seiner «Schweizerzeit», die heute weitgehend mit den immer gleichen SVP-Stimmen abgefüllt wird, für die Minarett-Initiative und andere fundamentale Anliegen kämpfen. Und er wird mit seinem Sekretariat weiterhin Unterschriftensammlungen managen, im Moment für die Minarett-Initiative und für die Ausschaffungs-Initiative, die «Schäfli-Initiative».

Nichts macht so deutlich wie das Plakat mit den schwarzen Schafen, wer heute die «Asylantenzitrone» auspresst: nicht mehr eine geächtete Aussenseiterpartei, sondern die wählerstärkste. Blocher ist der erfolgreichere Schwarzenbach. Er wird weiterhin jede Zitrone gnadenlos auspressen, solange sie tropft. Er wird schwarze Schafe und weitere Plakate kleistern lassen, solange damit Wählerprozente akkumuliert werden können.

NA - den Nazis «erschreckend ähnlich»

Die Auseinandersetzung der Nationalen Aktion mit Medien ist auch ein kleines Stück WOZ-Geschichte. Die WOZ hatte die «braunen Flecken auf der NA-Weste» dokumentiert, andere Medien schrieben von «nazihaftem Rassismus».

Das passte der NA nicht. Statt die Situation intern zu bereinigen, rannte sie zum Kadi und klagte die WOZ, das Berner Studentenblatt «Woka» und die «Schaffhauser AZ» ein. Zum Teil mit Erfolg. So wurde ich vom Bezirksgericht Zürich wegen des präzisen und materialreich belegten Bildes von den «braunen Flecken auf der NA-Weste» verurteilt.

Damit werde der NA unterstellt, folgerte das Gericht bar jeden historischen Bewusstseins, auch die Judenvernichtung zu billigen. Ein abstruses Argument, würde es doch die öffentliche Auseinandersetzung über faschistoide Tendenzen verunmöglichen. Der Nationalsozialismus hat nicht mit dem Holocaust begonnen, sondern mit Tendenzen, wie sie in der NA der achtziger Jahre aufkamen.

Wir Angeklagten waren gezwungen, intensiver nach «braunen Flecken auf der NA-Weste» zu suchen. Mit Erfolg. Dank der Verfahren, die die NA anzettelte, wissen interessierte Zeitgeschichtler mehr über die dunklen Seiten der Partei.

Und das nicht zuletzt dank gütiger Mithilfe des hinausgeekelten Valentin Oehen. Wir boten den «Ehrenpräsidenten» als Zeugen auf. Freundlicherweise lieferte er weitere braune Flecken nach, beispielsweise die Tatsache, dass der Basler NA-Nationalrat Walter Jaeger in den dreissiger Jahren Mitglied der Nationalen Front war.

Die Verfahren endeten für die NA katastrophal. Unmittelbar vor den Wahlen 1987 urteilte das Bundesgericht, «die Äusserungen von NA-Politikern und Publikationen im Parteiorgan» würden «erschreckende Ähnlichkeiten zur nationalsozialistischen Lehre aufweisen».


Jürg Frischknecht ist Autor der Bücher «Die unheimlichen Patrioten» (1979/1987), «Schweiz, wir kommen» (1991) sowie - mit Peter Niggli - «Rechte Seilschaften» (1998). Diese Bücher liefern eine Fülle von Informationen zum Thema dieses Artikels.