Mit der Knarre in den Zug

Nr. 34 –


Wer dieser Tage ob der Nachricht, dass die SBB ihre BahnpolizistInnen in Zukunft mit Schusswaffen ausrüsten will, schockiert war, hat schlicht die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen. Angriffe auf Bahnpersonal haben drastisch zugenommen, vor allem in den überfüllten Nachtzügen, die am Wochenende das alkoholisierte Ausgehpublikum befördern. Die Reaktion der SBB darauf ist so vorhersehbar wie einfach: mehr Sicherheitspersonal, mehr Kontrollen. Und zumindest kurzfristig scheint das Problem damit jeweils wieder unter Kontrolle – natürlich nur bis zum nächsten Vorfall, der die Spirale wieder von vorne beginnen lässt.

Dabei geht gerne vergessen, dass der Hauptgrund für die Verschlechterung der Sicherheitssituation nicht etwa im angeblich gesteigerten Gewaltpotenzial der Passagiere liegt, sondern in der unverantwortlichen Abschaffung der ZugbegleiterInnen in den Regionalzügen und dem damit geschaffenen Raum ohne Sozialkontrolle. Es handelt sich dabei um einen der kurzsichtigsten Sparentscheide in der Geschichte des öffentlichen Verkehrs – was kurzfristig an Personalkosten eingespart wurde, werfen die Betriebe heute als Vielfaches den privaten Sicherheitsfirmen in den Rachen. Diese Mehrkosten tragen die Passagiere.

Der Kompromiss zum Transportgesetz in den nationalen Räten, der die Bewaffnung möglich macht, ist ein wichtiger Entscheid: Er hob den rechtlich fragwürdigen Zustand der damaligen Bahnpolizei – Angestellte eines Joint Venture zwischen SBB und Securitas – auf und überführte sie in ein öffentliches Polizeikorps, mit den entsprechenden Anforderungen an Ausbildung und Rechtsstaatlichkeit. Die Bewaffnung mit Schusswaffen ist natürlich überrissen und unverantwortlich, aber nur konsequent – oder kennen Sie PolizistInnen, die freiwillig auf die phallischen Symbole ihrer Staatsmacht verzichten? Jede Streife, die im Park ein paar Punks kontrolliert, trägt ihre Hand an der Hüfte. Nicht, weil es jemals nötig wäre, die Waffe einzusetzen. Aber um Angst zu machen. Und Angst scheint derzeit die einzige Sprache zu sein, in der der Staat mit seinen unliebsamen BürgerInnen sprechen will.