Medientagebuch: 35 Jahre lang rentabel

Nr. 42 –

Dorothea Wuhrer über den Absturz von «El País».

«Wir können nicht länger so gut leben wie bisher.» So kündigte Juan Luis Cebrián, Vorstandsvorsitzender des spanischen Medienkonzerns Prisa, letzte Woche einen massiven Personalabbau bei «El País» an. Rund ein Drittel der 464 MitarbeiterInnen der grössten spanischen Tageszeitung werden entlassen: 149 Leute müssen gehen, darunter 110 JournalistInnen. 128 wird gekündigt, 21 werden in den Vorruhestand geschickt. Der übrigen Belegschaft werden die Gehälter um fünfzehn Prozent gekürzt.

«53 Prozent weniger Werbeeinnahmen und 13 Prozent weniger LeserInnen haben dazu geführt, dass die Situation nicht mehr haltbar ist», sagt Cebrián. Das sieht der Betriebsrat anders: «El País» habe 35 Jahre lang Gewinne eingefahren und erwarte nur in diesem Jahr Verluste von bisher geschätzten zwei Millionen Euro. Das Problem sei das Management des Prisa-Konzerns, so der Betriebsrat in einem internen Schreiben. Selbst wenn die von Cebrián vorgelegten Zahlen richtig seien, betrage die Gesamtsumme der Gehälter der 149 entlassenen KollegInnen nur wenig mehr als das, was allein Cebrián verdiene. Dieser nämlich bezieht als Gehalt dreizehn Millionen Euro im Jahr.

Tatsächlich ist der Absturz von «El País» ein Paradebeispiel dafür, wie schlechtes Management auch die stärkste journalistische Institution, die Spanien je hatte, ruinieren kann. Dass Prisa auf einem Schuldenberg von geschätzten fünf Milliarden Euro sitzt, hat mit Journalismus nichts zu tun: Unter Cebrián ging der Konzern im Jahr 2000 an die Börse. Aufgrund diverser Fehlentscheidungen des Vorstands ist die Aktie jedoch von zwanzig Euro auf heute grade mal dreissig Cent abgesackt. 2010 holte Cebrián zudem die US-Finanzinvestoren Nicolas Berggruen und Martin E. Franklin in den Verlag, die mit ihrem Hedgefonds Liberty Corner Capital 650 Millionen Euro in die Mediengruppe investierten – bei einer Verzinsung von sieben Prozent. 2012 kamen noch die Grossbanken HSBC und Santander sowie Spaniens Telefongesellschaft Telefónica als Aktionäre hinzu, die weitere 434 Millionen Euro in Prisa pumpten. Seither steht in der Verlagsgruppe nur noch Profitstreben im Vordergrund.

Zum katastrophalen Management gesellt sich die Wirtschaftskrise, die Spanien fest im Griff hat. «El País» finanziert sich über zwei Quellen: Werbeeinnahmen und Verkauf. Abonnements kennt man in Spanien nicht, der Verkauf läuft einzig über Kioske (daher auch die disparaten Zahlen zwischen Auflage und Leserschaft: 2011 druckte die Zeitung durchschnittlich 461 788 Exemplare, hatte aber nur 365 117 LeserInnen). Da «El País» aber hundert Prozent des Inhalts der gedruckten Ausgabe auch gratis online veröffentlicht, kaufen immer weniger LeserInnen die Zeitung. Die Werbeeinnahmen gehen konstant zurück: Zwischen 2008 und 2011 haben knapp 180 000 spanische Firmen Bankrott gemacht, die Überlebenden sparen, wo sie können.

Nach der «Umwandlung» werde sich «El País» verändern, heisst es aus den Chefetagen. Wie das neue Modell aber aussehen und von wem es gemacht werden soll, wird verschwiegen. Die Vorgehensweise kennt man von der Regierung: Erst wird gekürzt, und dann sieht man weiter. Auch der massive Stellenabbau ist nur durch die – von «El País» kritisierte – Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung möglich: Seither reicht nämlich eine Prognose auf schlechtere Erträge, um Tarifverträge auszusetzen, Massenentlassungen vorzunehmen und Gehälter zu senken.

Dorothea Wuhrer ist WOZ-Autorin in Spanien.