Jörg Juretzka: Jagd durch Ruhr-City

Nr. 43 –

Es gibt sie auch weiterhin, die hervorragenden Neuerscheinungen in der einst hochgelobten «Metro»-Reihe des Unionsverlags: die Romane von Hannelore Cayre («Das Meisterstück», 2011) etwa, von Oscar Urra («Harlekin sticht», 2012) und natürlich von Leonardo Padura («Der Schwanz der Schlange», 2012). Aber nicht mehr alle «Metro»-Krimis haben das Niveau, das man gewohnt war. Vor allem die Bücher der Zürcher Autorinnen Petra Ivanov («Tiefe Narben», 2012) und Mitra Devi («Filmriss», 2012) fallen deutlich ab: Ihre gestanzten Dialoge, erwartbaren Handlungsabläufe und bruchlosen Hauptfiguren stehen in einem krassen Gegensatz zu dem, was der einstige Herausgeber Thomas Wörtche im Sinn hatte, als er «Metro» begründete.
Vielleicht wollte ja der Verlag vom Boom des im deutschsprachigen Raum leider grassierenden Genres des Regionalkrimis profitieren. Gott sei Dank ist da noch Jörg Juretzka. Dessen Krimis spielen ebenfalls in einer Region, dem Ruhrgebiet. Doch sie sind so hintergründig-witzig geschrieben und haben eine Rasanz, dass es einem schier den Atem verschlägt. Seinen kleinen Helden, dem romantisch veranlagten, heruntergekommenen Detektiv Kristof Kryszinski und dessen Kumpel Scuzzi, sind keine Drogen fremd. Sie saufen, rauchen und sniffen sich quer durch die Ruhr-City und hocken oft in alten Autos, um schon aus Eigeninteresse für ein bisschen Gerechtigkeit zu sorgen. Und sie legen sich mit allen an: in «Der Willy ist weg» (2010 neu veröffentlicht) mit einer Neonazirockerbande auf ihren BMW-Motorrädern, in «Alles total groovy hier» (2011) mit einer kriminellen Hippiebande, in «Sense» (2012) mit der glitzernden Halbunterwelt der Zockerkönige und Hintermänner, deren Schläger sie durch Industriebrachen hetzen.
Juretzkas Romane bieten beste Unterhaltung und aberwitzig-reale Dialoge. Absurd-lächerliche Szenen, die aber so ernst gemeint sind, dass man nicht so recht darüber lachen kann. Und er blickt so sehr von unten nach oben, dass bisher keines seiner «Metro»-Bücher verfilmt wurde.

Jörg Juretzka: Sense. Unionsverlag. Zürich 2012. 284 Seiten. Fr. 14.80