Fussball und andere Randsportarten: Mongolen in Unterhosen

Nr. 45 –

Etrit Hasler über das Ringen um Ausländerquoten.

Um das vorwegzunehmen: Ich mag keine Quoten. Weder für Frauen noch für AusländerInnen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es Situationen gibt, in denen eine Quote absolut nötig ist. Zum Beispiel hier: Als unverbesserlicher Ozumo-Fan (hierzulande bekannt als Sumoringen) könnte ich alle zwei Wochen mit neuen Fangeschichten über dicke Männer in Unterhosen aufwarten – aus Rücksicht auf die LeserInnen der WOZ musste ich mir eine Sumoquote auferlegen. Ich werde Sie also höchstens einmal im Jahr damit belästigen. Aber heute ist es wieder einmal so weit.

Ähnlich wie die Schweizer Fussballnationalmannschaft hat das Sumoringen ein Ausländerproblem – also das Luxusproblem, dass es so viele Nichtjapaner gibt, die darin Erfolg haben. Der letzte japanischstämmige Yokozuna trat 2003 zurück. Seither bekleideten nur eingebürgerte Hawaiianer und Mongolen diesen höchsten Rang des Folkloresports. In den letzten fünf Jahren war es der gebürtige Mongole Hakuho Sho, der die oberste Profiliga nach Belieben dominierte – sehr zum Leidwesen aller japanischen TraditionalistInnen.

Denn auch wenn sich Hakuho wie ein veritabler Musterschüler aufführte, fielen in die Zeit seiner Regentschaft eine Reihe von Skandalen, die die Sportart erschütterten: Manipulationen, Verwicklungen mit der Mafia und nicht zuletzt die erschütternde Erkenntnis, dass viele Sumoringer kiffen. Das Bild des benebelten, gutmütigen Bären mag für uns etwas Amüsantes haben (und Kiffer kennen die überbordenden Fressgelüste, die sie morgens um drei dazu bringen, ein liegen gebliebenes Stück Pizza mit Erdnussbutter und Nutella zu bestreichen). In einem Sport, der von shintoistischen Ritualen bestimmt wird, von dessen Exponenten erwartet wird, dass sie die Tugenden der einstigen Samurai-Nation verkörpern, ist für so viel Weltoffenheit schlicht kein Platz. Und da an all den Problemen die Ausländer schuld sein mussten, wurde prompt eine Quote eingeführt, um ihre Zahl zu begrenzen.

Als Hakuhos sportliche Form Anfang dieses Jahres zu schwächeln begann, glaubten viele JapanerInnen, das Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Doch statt dass einer seiner japanischen Herausforderer die Chance nutzen konnte, sprang erneut ein Mongole wie aus dem Nichts in die Bresche: Der gerade mal 130 Kilo schwere Harumafuji (für Sumoverhältnisse ein Fliegengewicht) gewann völlig überraschend die letzten zwei Turniere – womit er die Anforderungen erfüllte, der nächste Yokozuna zu werden.

Die Unkenrufe begannen am Tag nach seinem letzten Turniersieg, noch bevor seine Beförderung offiziell bestätigt wurde: Eine Horde Paparazzi, die Harumafuji in seiner Sumoschule beobachtete, entdeckte, dass er nach dem Training Kaugummi kaute. Ein Skandal! Und noch schlimmer: Als ein Mitringer mit ihm auf seinen triumphalen Sieg anstossen wollte, erdreistete sich der neue Würdenträger doch tatsächlich, einen Schluck Bier zu trinken.

Doch trotz einiger abschätziger Zeitungsberichte blieb der grosse öffentliche Aufschrei aus. Harumafujis Antrittszeremonie im Sumiyoshi-Schrein war würdevoll und seines neuen Amtes würdig – auch wenn es die Unkenrufer weiterhin geben wird. Genauso wie in der Schweiz, wo sich die Ewiggestrigen auch darüber aufregen können, dass nur «unschweizerische» Fussballer im Nationaldress auflaufen. Oder anlässlich der Stadtparlamentswahlen im sankt-gallischen Wil, wo der SVP-Kandidat Manuel Cadonau die Wahl des gebürtigen Albaners Arber Bullakaj (SP) kommentierte mit: «So unterwandert unser Land schon ist, haben wir jetzt auch einen albanischen Stadtparlamentarier in Wil.» Doch in beiden Fällen gilt wohl: Die breite Bevölkerung scheint es nicht zu stören. Und: Manchmal gewinnt eben einfach der Bessere. Egal woher er kommt. Und dafür braucht es auch keine Quote. Weder für Einheimische noch für die anderen.

Etrit Hasler sitzt für die SP und als einziger 
(H)albaner im St. Galler Kantonsrat. 
So unterwandert ist der Osten also schon.