Basler Justiz: Der Landfriedensbruch wird vertagt

Nr. 6 –

Die Staatsanwaltschaft in Basel will mit hohen Strafforderungen gegen politische AktivistInnen vorgehen. Der erste Prozess hat als Farce geendet.

Die Stimmung unter den Wartenden vor dem Basler Strafgericht ist ruhig und friedlich. Sie passt nicht zur Strafe, die die Staatsanwaltschaft für F. fordert: neun Monate bedingt mit einer Probezeit von vier Jahren plus eine Busse von 400 Franken. Das ist weit mehr als der sonst in der Schweiz übliche Tarif für Landfriedensbruch, der die Angeklagten im Normalfall nicht mehr als eine Busse von mehreren Hundert Franken kostet. Der Prozess gegen F. ist der erste in einer ganzen Serie von Verfahren, bei denen die Strafforderungen der Staatsanwaltschaft ähnlich hoch sind. Hier soll den lokalen AktivistInnen offensichtlich der Tarif durchgegeben werden.

Rund vierzig Leute sind Ende Januar gekommen, um dem Prozess gegen F. beizuwohnen. Zehn Minuten vor 14 Uhr lässt der Justizbedienstete den Angeklagten und seinen Verteidiger Guido Ehrler ins Gericht. Alle anderen müssen draussen weiter warten. Ohnehin dürften nur zwanzig ZuschauerInnen rein, erklärt der Beamte. «Das sind ja wohl genug Fans.» Die Eintretenden werden einzeln kontrolliert – und das dauert. Alle metallenen Gegenstände aus den Hosen nehmen, gegebenenfalls den Gürtel abschnallen, und dann durch die Schleuse gehen. Nur wenige ZuschauerInnen schaffen es schliesslich in den Saal.

Protest gegen Parade

Beim Strafverfahren geht es um zwei Ereignisse, die schon länger als zwei Jahre zurückliegen. Nummer eins: Am 1. September 2009, siebzig Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, marschierten rund tausend Soldaten durch Basel zur Fahnenübergabe auf dem Marktplatz. Das Panzergrenadierbataillon 28 hatte in der Woche davor an der Grossübung «Protector» teilgenommen und den «Raumschutz» gegen eine revoltierende ethnische Minderheit – «Volpodinger Extremisten» – geübt. Um den Jahrestag des Kriegsbeginns sei es der Parade nicht gegangen, beteuerten seinerzeit die Verantwortlichen, sondern nur um die traditionelle Fahnenübergabe zum Abschluss eines Wiederholungskurses der Armee.

AktivistInnen der Juso und der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) protestierten hinter den Absperrgittern mit Transparenten. Bis zuletzt habe man um die Bewilligung ringen müssen, berichtete die «GSoA-Zeitung» damals. Gar nicht erst um Bewilligung gefragt hatten dagegen rund zwanzig DemonstrantInnen, die die Parade in der Freien Strasse mit einer Sitzblockade stoppten. Sie wurden einzeln von der Polizei weggetragen. Nur eine Person hat sich damals durch einen Tritt an die Schulter eines Polizisten gewehrt.

Dass der Angeklagte F. selbst keine Gewalt ausgeübt hat, weiss auch die Staatsanwaltschaft, denn sonst hätte sie ihn wegen Körperverletzung anklagen können. Sie beschuldigt ihn stattdessen der «Störung des Militärdienstes» – eines Delikts, für das die kantonale Staatsanwaltschaft gar nicht zuständig ist. «Um die Zustimmung der Bundesanwaltschaft haben die Basler Strafverfolger aber nie angefragt», sagt Rechtsanwalt Ehrler.

Die ZeugInnen fehlen

Weil sie F. sonst nichts vorwerfen kann, probiert es die Staatsanwaltschaft gleichzeitig mit dem Landfriedensbruchartikel, nach dem auch diejenigen bestraft werden können, die sich nach polizeilicher Aufforderung nicht entfernt haben. Eine Menschenmenge, die «mit vereinten Kräften Gewalt gegen Personen oder Sachen» ausübte, hat es am 1. September 2009 allerdings nicht gegeben.

Auch beim zweiten Vorfall, am 30. Oktober 2009, kann die Staatsanwaltschaft F. keine Gewalt vorwerfen. Die Behörden hätten an diesem Tag auf dem Voltaplatz «die Vollendung der Nordtangente als Lebensqualität für alle feiern wollen», sagt der Angeklagte. Am «verordneten Strassenfest» habe aber kaum jemand teilgenommen. «Hingegen versammelten sich spätabends einige BewohnerInnen des Quartiers, um mit Musik, einem Feuer, mitgebrachten Getränken und Transparenten ihren Unwillen auszudrücken.» Am Ende standen 28 PolizistInnen und 20 ZivilistInnen auf dem Platz. «Von einer Störung des öffentlichen Friedens kann auch hier nicht die Rede sein. F. ist einfach nur kontrolliert worden», so sein Anwalt.

Zu seinem Plädoyer ist der Verteidiger gar nicht mehr gekommen, denn Richter René Ernst hat die Verhandlung nach einer Stunde vertagt. Die Staatsanwaltschaft hatte sich «dispensieren» lassen, wie sie das bei Bagatelldelikten regelmässig tut. Nicht erschienen waren aber auch die PolizistInnen, die der Richter als ZeugInnen hören will. Von ihnen will er erstens wissen, ob am 1. September 2009 nicht auch Leute kontrolliert wurden, die gar nicht an der Sitzblockade teilgenommen haben. «Die Akten sind da nicht sehr ergiebig», meinte er. Zweitens stelle sich die Frage, «wie der ganze Ablauf am 30. Oktober gewesen ist». Fortsetzung folgt.