Wem gehört Basel?: Party in der Favela

Nr. 25 –

Ein Kunstwerk im Rahmen der Art Basel sollte den Diskurs über den Stadtraum befruchten. Doch die Befruchtung lief anders als vorgesehen.

In Basel kursiert zurzeit ein Bonmot, und das geht so: «Die Basler Messe verhält sich genau so, wie ihr Neubau aussieht: wie ein ziemlich grosses Arschloch.»

Aber der Reihe nach. Der japanische Künstler Tadashi Kawamata hatte für die diesjährige Art Basel ein Hüttendörfchen auf dem Messeplatz errichten lassen. Das Projekt «Favela Café», als Kunstwerk beworben, das den Diskurs über den Stadtraum befruchten sollte, wurde in erster Linie als disneyfizierte Erlebniskneipe wahrgenommen, in der behornbrillte MessebesucherInnen im holzigen Armutsambiente «aperölen» und ihre Rollkoffer parkieren konnten. Dass dieser Kontrast dekadent wirken würde, war so klar wie beabsichtigt.

Am vergangenen Freitag wurde das Favela-Café durch eine Handvoll Basler Alternative erweitert, die flugs eine «Gegen-Favela» aufbauten, eine Soundanlage installierten, tanzten. Und dies als Protest gegen das Favela-Café verstanden haben wollten.

Dass manche der Protestierenden mit den Leuten, die Kawamatas Favelahütten aufgebaut hatten und bewirtschafteten, bestens vernetzt sind, ist nicht verwunderlich. Basel ist nun mal ein Dorf, und in einem Dorf ist der Schweinezüchter nicht selten auch der Metzger. Die dort Verantwortlichen aber sahen in der plötzlichen Belebung ihrer Prekariatssafari vor allem eine Bedrohung. Die Messe tat also das, was jeder Künstler und jede Künstlerin am liebsten tun würde, wenn er oder sie mit KritikerInnen zu tun hat: die Polizei rufen.

Gegen 22 Uhr marschierten rund zwei Dutzend Beamte in Kampfmontur über den Messeplatz, zerdepperten die Soundanlage, verscheuchten die Tanzenden mit Pfeffer und Schrot – und gingen wieder. Ohne Festnahmen und ohne dass auch nur die Personalien einer einzigen Person aufgenommen worden wären. Rein. Bumm. Raus. Fertig. «Shock and Awe» könnte man das auch nennen. Schlägertruppen funktionieren mit dieser effektiven Taktik.

Das unzimperliche Vorpreschen gegen die Protestparty ist aber nur ein Symptom eines Prozesses, der in Basel zunehmend für Konflikte sorgt. Der Stadtraum in der städtebaulich eingeschränkt gelegenen Grenzstadt ist hart umkämpft; Brachflächen wie das NT-Areal werden kapitalisiert, kulturelle Zwischennutzungen wie der Klybeck-Hafen oder das «Basel Tattoo» im Kasernenhof zunehmend institutionalisiert und kommerzialisiert, während sich merkantile Grossprojekte wie das Einkaufszentrum Stücki oder die Markthalle als komplette Fehlplanungen sozialblinder InvestorInnen entpuppen.

Dass die Stadt dazu mit dem Novartis-Campus ganze Strassenzüge privatisieren und zur Gated Community eines Chemiekonzerns umzonen lässt, sorgt in der traditionsgemäss vernünftigen Stadt für Unbill. Zudem ist die Gangart der Behörden gegenüber der alternativen Szene massiv härter geworden. Im Februar wurde die umstrittene Villa Rosenau – ein besetztes, aber geduldetes Haus an der Grenze zu Frankreich – quasi über Nacht abgebrochen, nachdem ein Brand das Haus beschädigt hatte. Die Besetzung des historischen Schiessstands in Allschwil wurde genauso fix und diskussionslos aufgehoben wie spontane Partys am Voltaplatz. Für die latent nervöse und aggressive Stimmung in Basel ist nicht zuletzt die rechte «Basler Zeitung» verantwortlich, die Basel regelmässig als von kriminellen Afrikanerlesben, drogensüchtigen Emanzenmuslimen und linken Velochaoten regiertes Gotham City am Rhein bejault. Aber so ist das eben, wenn die Redaktion der Lokalzeitung von gewaltbereiten ChaotInnen besetzt ist.

Und das ist die Kernfrage – nicht nur in Basel, aber hier besonders: Wer sind hier eigentlich die Hooligans? Wem gehört diese Stadt? Wenn immer grössere Teile des öffentlichen Raums kaufbar sind, wenn die Stadt an Konzerne überschrieben wird, wenn dieser privatisierte Raum von der Staatsgewalt gegen die Bürgerinnen abgeschottet wird, weil ökonomische Interessen über die der Öffentlichkeit gestellt werden, dann wird die Polizei faktisch zur Privatarmee, die die Pfründen der kaufkräftigen Partei verteidigt. Und die Polizei erledigt das mittlerweile eben so, wie es an der Art passiert ist: schnell und effektiv. Will heissen: mit Gewalt. Wie in der Privatwirtschaft halt üblich.

Aber wenigstens hat die Messe Basel einen allgemeingültigen Kunstbegriff geschenkt: Kunst ist, was eine Bewilligung hat. Halleluja.

Gabriel Vetter (30) ist Hausautor am Theater 
Basel. Sein letztes Stück «Der Park» thematisierte die Disneylandifizierung der Schweiz.