Kost und Logis: Das Fleisch war zufrieden

Nr. 26 –

Bettina Dyttrich entdeckt eine wunderbare Beiz am Jurahöhenweg.

Klein sieht er aus auf der Karte, der Kanton Solothurn. Wer aber dort wandert, merkt schnell: Das täuscht. Denn Solothurn ist gefaltet in lange, abgeflachte Bergketten mit steilen Hängen, eine hinter der anderen. Eine ganz andere Landschaft als der prototypische Jura in den Freibergen – und zum Wandern viel herausfordernder: Mehr als tausend Meter ragt die Hasenmatt (1445 Meter über Meer) über die Aare.

So nah am Mittelland und dennoch dieser Weitblick. Generationen von ArbeiterInnen aus Grenchen, Balsthal und Olten suchten dort oben ein Stück Freiheit am Wochenende («Dort oben die Freiheit» heisst auch das lesenswerte Solothurner-Jura-Buch von Wolfgang Hafner), die Naturfreundehäuser erinnern heute noch daran.

Wer einmal oben ist, bekommt kaum genug vom Gratwandern: Der Jurahöhenweg, von der Klus von Balsthal zur Klus von Frinvillier, lässt sich in zwei langen Tagesetappen gehen. Heute bestimmt allerdings die Suche nach der Unterkunft die Wanderplanung: Es ist Montag, fast alles geschlossen. Bis auf die Alpwirtschaft Hinteregg oberhalb von Rumisberg, wo ein Zipfel des Kantons Bern bis auf den ersten Juragrat reicht. Also beginnen wir in Gänsbrunnen an der Bahnlinie Solothurn–Moutier und steigen auf einem einsamen Weg durch tiefen Wald von hinten auf den Weissenstein. Dann geht es den ganzen Tag nach Osten, über den Gipfel der Röti, wo noch Schneereste liegen.

Die eingeschränkte Auswahl stellt sich als Glücksfall heraus: Die «Hinteregg» ist die beste Beiz weit und breit. Annette Hauser und Jochen Schmidt leben das ganze Jahr über mit ihrer Tochter hier oben auf 1100 Metern. Sie halten zehn Angusmutterkühe mit Kälbern, einige Schweine, Kaninchen und Hühner; im Sommer betreuen sie zusätzlich eine grosse Herde Sömmerungsrinder der Alpgenossenschaft Rumisberg. Annette Hauser, die auch schon in der Genossenschaftsbeiz Kreuz in Solothurn gearbeitet hat, ist eine grossartige Köchin. Es gibt Lauchsuppe mit Parmesan, Steak von den eigenen Rindern mit Bratkartoffeln und selbst gemachte Nudeln mit Bärlauchpesto. Auch der Quarkkuchen zum Dessert ist selbst gemacht, genauso wie der Zopf zum Zmorgen. Das Fleisch ist wunderbar saftig, es schmeckt nach einem zufriedenen Rinderleben auf der Weide.

Überall ist die Sorgfalt zu spüren, mit der Hauser ans Werk geht: Milch, Käse und Gemüse stammen nicht aus dem Grosshandel, sondern direkt von Biohöfen aus der Region, die Weinkarte lädt ein, pilzresistente Rebsorten zu entdecken, Most und Schnaps kommen vom Hochstammbauern. Von der Hinteregg sieht man ein Stück Berner Alpen, aber nicht direkt ins Mittelland, das kleine Hochtal wirkt geborgen und ab der Welt. Wer bleiben will: Es gibt drei Zimmer und ein Massenlager.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin und zurzeit am Heuen.