Schweizer Medien: Melken und fördern

Nr. 37 –

Was haben eine Kuh und ein Journalist gemeinsam? Nichts. Die eine erhält Direktzahlungen, der andere nicht. Das könnte sich ändern. Denn die Medien sind in Nöten. Das sieht auch der Bund so. Also sollte man Medien fördern. Doch wie? Wer bekommt Geld? Wer nicht? Und warum?

Vor einem Jahr hat der Bund die Eidgenössische Medienkommission (Emek) eingesetzt. Ende letzter Woche legte sie ihre Empfehlungen dar. Die wichtigste: Die indirekte Förderung von kleinen, regionalen Zeitungen und Vereinsblättern, die über die Vergünstigung der Posttarife erfolgt, soll abgeschafft werden.

In den letzten Jahren war es für die WOZ stets ein «Chrampf»: Bekommen wir die Vergünstigung, oder fallen wir raus? Es geht um etwa 160 000  Franken pro Jahr. Das macht mehr als zwei Stellen aus. Wir haben gelernt, dass die WOZ sich nicht auf diese Tarifvergünstigung verlassen darf – sonst kämen wir in Turbulenzen, wenn sie plötzlich wegfällt.

Angeblich ist der Journalismus in Bedrängnis, weil sich alles gratis googeln lässt. Das ist Unsinn. Information ist nicht Wissen – weil Google nicht denken kann. Google folgt Algorithmen, die gewichten und am Ende wichtig machen, was viele andere schon angeschaut haben. Guter Journalismus macht das Gegenteil. Er erzählt von Dingen, die neu sind.

Der Beruf wird ausgehöhlt, weil die JournalistInnen immer effizienter sein sollen. Das geht nicht. Eine Kuh hat einst pro Tag zehn Liter Milch geliefert, heute schafft sie deren fünfzig. JournalistInnen können zwar mehr produzieren, das wird dann aber dünner.

Als die Presse entstand, wurde sie als politisches Mittel verstanden: Man wollte nicht Geld verdienen, sondern politisch Einfluss gewinnen.

Vor hundert Jahren kam dann die Werbung auf. «Der expandierende Inseratemarkt liess die Bezugspreise sinken und die ersten parteiunabhängigen sogenannten Generalanzeiger entstehen, die wie der ‹Tages-Anzeiger› als gewinnorientierte Massenpresse eine möglichst hohe Auflage anstrebten», schreibt das Historische Lexikon der Schweiz. Was Google heute tut, tat damals die Massenpresse. Die einst blühende linke Tagespresse hat die Umwälzungen nicht überlebt (vgl. «Rettet bitte das ‹P.S.›!» ). Ob sie allein mit einer klugen Presseförderung wiederbelebt werden könnte, ist fraglich.

Die Medienkommission hat einige Vorschläge gemacht, die einen Neustart erleichtern sollen. Die Emek möchte «publizistische Start-up-Unternehmen» und «herausragende redaktionelle oder journalistische Leistungen» fördern. Das klingt gut, aber auch realitätsfremd. Gefördert werden soll über eine Stiftung, die einzelne Projekte unterstützen würde, eine Stiftung wie Pro Helvetia oder der Nationalfonds.

Auch der Verband Schweizer Medien, dem fast alle Zeitungsverlage angehören, misstraut der Idee. Er führt den Fall Thomas Hirschhorn an. Pro Helvetia hatte vor zehn Jahren eine seiner Ausstellungen mitfinanziert, PolitikerInnen regten sich darüber auf – das Parlament kürzte der Stiftung das Budget. Der Verlegerverband warnt: «Die Distanz zwischen Politik und Medien ist im Fall einer Stiftung nicht garantiert.» Recht hat er, auch wenn der Verband sonst wenig Freude macht. Seit Jahren verhindert er einen Gesamtarbeitsvertrag für JournalistInnen.

An diesem Donnerstag wird er zudem noch Markus Somm ins Präsidium wählen, jenen Somm, der die «Basler Zeitung» stramm auf rechts getrimmt hat. Seit kurzem ist er nicht nur ihr Chefredaktor, sondern auch Mitbesitzer. Woher er das Geld hat, will er nicht sagen – wohl von SVP-Übervater Christoph Blocher, der das Blatt kontrolliert.

Die WOZ ist Mitglied des Verlegerverbands. Wir fragen uns immer wieder, ob das sinnvoll ist. Aber so stimmt am Donnerstag mindestens jemand gegen Somm. Ein bisschen lästig sein kann nicht schaden.

Abgesehen davon macht der Verband nicht immer alles falsch. Wenn er sich gegen die Abschaffung der jetzigen Presseförderung wehrt, ist das wichtig. Denn solange kein überzeugendes anderes Modell vorhanden ist, hilft die Posttarifreduktion – uns, aber auch vielen regionalen und lokalen Zeitungen sowie kleinen Vereinsblättern.