Die Geschichte der CIA-Coups: Hysterie und Wirtschaftsinteressen

Nr. 36 –

Warum wurden Staatsstreiche zu einer Kernkompetenz des US-Auslandsgeheimdienstes? Und weshalb bedachten seine ExpertInnen kaum je die Konsequenzen ihres Tuns?

Das entscheidende Merkmal des Kalten Kriegs bestand darin, dass die verfeindeten Supermächte Atomwaffen besassen – die USA seit 1945, die Sowjetunion vier Jahre später. Einen echten Krieg gegeneinander konnten sie sich aus Gründen der Selbsterhaltung nicht mehr leisten.

Auf diese ausserordentliche Lage reagierten die USA im September 1947 mit der Gründung eines neuen Geheimdienstes: Die Central Intelligence Agency (CIA) war neben der traditionellen Nachrichtenbeschaffung und der Spionagetätigkeit dazu befugt, im Ausland «verdeckte Aktivitäten» auszuführen – und dies praktisch ohne demokratische Kontrolle. Später wurde dies offiziell zu einem Geheimdienstkrieg gegen den «internationalen Kommunismus» ausgeweitet, wie es eine Direktive des Nationalen Sicherheitsrats vom März 1954 ausdrückte.

So wurden Geheimoperationen im Ausland zum Markenzeichen der CIA. Der deutsche Historiker Bernd Stöver schätzt die Zahl solcher US-Interventionen allein bis zum Ende des Kalten Kriegs auf mindestens 900. Darunter sind sieben erfolgreiche und eindeutig belegte Staatsstreiche.

Im Dienste des Bananenhändlers

Am Anfang findet ein Grossteil der CIA-Geheimoperationen im ideologisch sowohl geteilten als auch umkämpften Europa statt. Zur Feuertaufe gerät der italienische Wahlkampf im Winter 1947/48, wo CIA-AgentInnen mit gross angelegten Plakataktionen, Radiosendungen und antikommunistischen Filmen mithelfen, dass die Christdemokraten die Mehrheit erhalten. Durch die Wahlkampfhilfe erübrigt sich ein eigentlicher Putschversuch.

Später rückt die sogenannte Dritte Welt in den Fokus der CIA. Insbesondere die dekolonisierten, neuerdings unabhängigen Staaten sollen in den zwei Jahrzehnten nach 1953 davon abgehalten werden, Teil der sozialistischen «Zweiten Welt» zu werden. Die US-Politik beruft sich dabei auf die sogenannte Dominotheorie: Demnach würden Staaten, die sich geografisch in der Nähe eines sozialistischen Landes befinden, durch die «populistische Kraft» des Kommunismus ideologisch angezogen; nach und nach würden alle Länder einer Region wie eine Reihe Dominosteine umfallen.

Um zu verhindern, dass sich solche Staaten aus der US-Einflusssphäre verabschieden, ist nun buchstäblich jedes Mittel recht. In diese Zeit fällt der Grossteil der von der CIA veranlassten Staatsstreiche. Möglicherweise hat die CIA schon 1949 in Syrien mitgeholfen, ein Militärregime zu installieren. Der erste eindeutig erwiesene erfolgreiche Coup findet indes 1953 im Iran statt. Er wird zur Blaupause für viele weitere.

Das Muster ist meist ähnlich: Beim geringsten Anzeichen einer Verstaatlichung, etwa eines Wirtschaftssektors, wird eine verdeckte CIA-Operation auf den Weg gebracht. Dabei vermischt sich der offizielle antikommunistische Auftrag mit der Interessenwahrung von US-amerikanischen und anderen westlichen Wirtschaftsunternehmen. Im Iran profitieren am Ende britische und US-amerikanische Erdölfirmen.

In Guatemala ein Jahr später fühlt sich der US-Bananenhändler United Fruit Company von den Landreformen bedroht, die der (ursprünglich von den USA geförderte) Präsident Jacobo Árbenz Guzmán umzusetzen beginnt. Im Fall von Guatemala sind die privaten Wirtschaftsinteressen besonders offensichtlich: Die Brüder Allen und John Foster Dulles sind in den fünfziger Jahren nicht nur gleichzeitig CIA-Chef beziehungsweise Aussenminister – beide stehen als Wirtschaftsanwälte auch auf der Lohnliste der United Fruit Company. Die CIA bewaffnet militante und paramilitärische Gruppen, bis Árbenz stürzt und durch eine Militärjunta ersetzt wird. In den nächsten vier Jahrzehnten werden für den Machterhalt der Diktatoren über 100 000 GuatemaltekInnen mit dem Leben bezahlen.

Neue Feinde, neue Arbeit

Die Kombination von antikommunistischer Hysterie und kurzfristigen Wirtschaftsinteressen macht deutlich, warum die CIA-ExpertInnen kaum je die langfristigen und breiteren Konsequenzen ihres Tuns bedachten. Die Strategien wirken heute überaus unterkomplex; als Verbündeter qualifizierte sich offenbar jeweils der nächstbeste Feind des eigenen Feindes.

Um den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 zurückzudrängen, rüstet die CIA verschiedenste islamistische Guerillagruppen auf. Am Ende ist Afghanistan zwar tatsächlich keine Sowjetrepublik, dafür aber ein tribalistischer Gottesstaat, wo sich trotz weiterer US-Einflussnahme al-Kaida formieren kann. Dem Terrornetzwerk gelingt 1993 ein erster Anschlag in New York – und am 11. September 2001 tötet es Tausende US-BürgerInnen auf amerikanischem Boden. 9/11 ist für die CIA die bisher schwerste Niederlage. Die Geheimdienste hatten darin versagt, eine fundamentale Bedrohung der USA trotz Vorwarnungen abzuwenden.

Gleichzeitig ermöglicht der ab 2001 forcierte «Krieg gegen den Terror» der CIA, ihre Legitimationskrise nach dem Ende der Sowjetunion zu überwinden. Die CIA darf seither auch im Inland ermitteln. Und AusländerInnen können unbeschränkt und ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden sowie bestimmten Formen der Folter unterzogen werden. Dazu werden weltweit Geheimgefängnisse, sogenannte Black Sites, errichtet.

Staatsstreiche spielen heute bei den CIA-Geheimoperationen keine so grosse Rolle mehr wie im Kalten Krieg. Doch der Geheimdienst hat sich offenbar vorzüglich an die neuen Zeiten angepasst. Das offizielle jährliche Budget ist 2017 mit fast dreizehn Milliarden US-Dollar um ein Mehrfaches höher als vor 1991, und die heute rund 21 500 Mitarbeitenden stellen ebenfalls einen Rekord dar.

Dass sich die CIA-AgentInnen – nicht nur in Afghanistan, sondern etwa auch im Irak oder in den Black Sites – die späteren Feinde für den «Krieg gegen den Terror» mitunter gleich selbst schaffen, ist wohl nur eine besonders krasse Ironie der Geschichte.

Putsche mit belegter CIA-Beteiligung

Iran 1953: Der Putsch gegen Ministerpräsident Mohammad Mossadegh (Bild links) wird zur Blaupause vieler weiterer «Covert Operations» der CIA im Kalten Krieg. Zum Prototyp wird insbesondere eine Propagandakampagne, die den Regimewechsel letztlich zum Erfolg ­führte.

Guatemala 1954: Präsident Jacobo Árbenz’ Regierung plant eine Landreform und setzt ein neues Arbeitsrecht in Kraft. Das US-Unternehmen United Fruit Company (später Chiquita) ist mit Abstand grösster Landbesitzer und Arbeitgeber in Guatemala und bangt um seine Profite. Das Unternehmen lobbyiert in den USA mit dem Argument für den Putsch gegen Árbenz, dieser sei Kommunist. CIA-Chef Allen ­Dulles lässt im benachbarten Honduras eine Guerillaarmee aufbauen, die Árbenz bald stürzt und eine Militärjunta ­einsetzt.

Kongo 1960: Patrice Lumumba wird 1960 erster Ministerpräsident der Demokratischen Republik Kongo. Als er die Verstaatlichung der Bergbau- und Plantagengesellschaften anstrebt, konspirieren Belgien und die USA, die bislang über die Bodenschätze verfügt haben, gegen ihn: Oberst Joseph Mobutu Sese Seko (Bild unten) putscht sich mit US-Unterstützung an die Macht. Lumumba wird von der CIA ermordet. Der schillernde Tyrann Mobutu herrscht bis 1997 über den ­Kongo.

Dominikanische Republik 1961: Die CIA bewaffnet und instruiert Dissidenten, die im Mai 1961 den rechten Diktator Rafael Trujillo ermorden. 1930 hatte sich Trujillo – seinerseits von US-amerikanischen Truppen unterstützt – an die Macht geputscht. Aufgrund seiner Monopolisierung der Wirtschaft fiel der Exgeneral jedoch in Ungnade. Ein Militäraufstand mit US-Unterstützung (Drohkulisse der US-Navy im Bild oben) jagt im November 1961 die ErbInnen des ermordeten Trujillo aus dem Land. Eine Beteiligung am Putsch von 1963 gegen den gewählten Nachfolger Trujillos, den Sozialisten Juan Bosch, hat die CIA nie zugegeben, obwohl sehr vieles darauf ­hindeutet.

Südvietnam 1963: Die USA sind bereits tief mit Militärberatungs­missionen im Süden und CIA-Sabo­tageoperationen im Norden in den Bürgerkrieg in Vietnam involviert (Bild oben), als sie im Herbst 1963 Ngo Dinh Diem fallen lassen. Der katholische Ministerpräsident Südvietnams geht zunehmend brutal gegen die BuddhistInnen im Land vor und treibt sie so in die Arme der Kommunisten. Im November wird Diem im Zuge eines Militärcoups getötet. Die CIA übernimmt später die Mitverantwortung für den Putsch.

Brasilien 1964: «Die Regierung von João Goulart macht Brasilien zum neuen China», warnt 1964 der US-Botschafter in Brasilien. Grund sind Reformvorhaben des demokratisch legitimierten Präsidenten, die Unternehmen verpflichten sollen, die in Brasilien erwirtschafteten Gewinne auch im Land zu reinvestieren. Die CIA zettelt Proteste gegen die Regierung an und bewaffnet Goularts GegnerInnen. Ein Militärputsch mit CIA-Unterstützung bringt im Frühling 1964 eine Junta an die Macht, die Brasilien bis 1985 regiert. Ein Mahnmal (im Bild unten) erinnert in Recife an die zwei Jahrzehnte der ­Diktatur.

Chile 1973: Nachdem ihre Propagandakampagne nicht verhindern konnte, dass der Sozialist Salvador Allende (Bild oben) 1970 zum Präsidenten gewählt wird, sabotiert die CIA die chilenische Wirtschaft und unterstützt zeitweilig gleich drei Gruppierungen, die unabhängig voneinander Allendes Sturz planen. General Augusto Pinochet putscht 1973 erfolgreich. Seine Militärdiktatur wird in der Folge ebenso von der CIA unterstützt wie die Geheimpolizei Dina, die Zehntausende ChilenInnen verschwinden lässt, ermordet oder zu Tode ­foltert.