Fussball und andere Randsportarten: Rock & Wrestling war da

Nr. 16 –

Etrit Hasler hat ein neues Veranstaltungsformat entdeckt

Ich hatte letztes Wochenende das einzigartige Vergnügen, in der Roten Fabrik in Zürich einer Veranstaltung namens «Rock & Wrestling» beizuwohnen – ein aus Hamburg importiertes Format, dessen Titel selbsterklärend ist: eine Wrestlingveranstaltung mit Konzerten – im vorliegenden Fall Bands mit so wohlklingenden Namen wie The Cheating Hearts und Pisse. Klingt trashig? Nun, jede Wrestlingveranstaltung ist Trash, egal ob die AthletInnen im Ring die Superstars der WWE (World Wrestling Entertainment) sind oder ein paar Subkulturfuzzis aus St. Pauli.

Gleich wie bei den US-amerikanischen oder mexikanischen Vorbildern werden bei «Rock & Wrestling» archetypische Kämpfe zwischen Gut und Böse ausgetragen, wobei es dem Publikum so einfach wie nur möglich gemacht werden soll, sich mit den Figuren zu identifizieren. Während jedoch in den USA derzeit ein Wrestler namens «The Moderate Liberal» das Südstaatenpublikum auf die Palme treibt, sind es bei den Hamburger Schaukämpfen eher surreale Szenen – wenn auch mit genauso klaren Feindbildern.

Da ist zum Beispiel der Obermacker «Captain Penis», der sich mit der maskierten «Fetti Mc Kool» kloppt, oder «Der Opa», unterstützt von «Mathias dem Zivildienstleistenden», der sich gegen das «Tag Team» aus dem «Technischen Fortschritt» und «Das Darknet» misst. Ganz irre wirds, wenn sich «Jean Cornichon» mit «Mr. Cheese» gegen «Hans Wurst» verbündet, was – wie könnte es anders sein – in einem gigantischen Sandwichbang endet. Und als grosser Schlusskampf natürlich: «Donald Trump» und «Putin», die von «Love Roboter Bento» … Sie können sichs denken. Und wie es sich für Wrestling gehört, werden die Guten, also die Faces, bejubelt und die Bösewichte, also die Heels, ausgebuht und mit Bier überschüttet.

Dazu kommt der Einheizer «Nik Neandertal», der zu Beginn und zur Pause und überall dazwischen im regenbogenfarbenen Glitzercape den unerträglichen Ohrwurm «Rock & Wrestling ist wieder da» singt – und zwar in der Roten Fabrik so lange, bis wirklich jedeR Einzelne im Publikum mitsang, egal wie lange das dauerte. Abgerundet wurde das Ganze von der als Nummerngirl agierenden «Haidi Hitler» – selber ebenfalls eine Ex-Championess des «Rock & Wrestling»-Zirkus, die jeweils als historische Figur wie Lady Di oder Mutter Teresa in den Ring steigt, um sich dann einen Hitlerschnauz an die Oberlippe zu pappen und das Publikum aufs Übelste zu beschimpfen.

Natürlich hält das dem Vergleich mit «professionellem» Wrestling kaum stand – die Kostüme sind dilettantisch: «Mr. Cheese» ist nichts weiter als eine gelb angemalte Schaumstoffrolle, und «Love Roboter Bento», der den japanischen Zeichentrickrobotern nachempfunden ist, wurde wie seine Vorbilder offensichtlich mit Karton, Farbe und viel Liebe zum Detail gefertigt. Und wenn sich die alles andere als durchtrainierten KontrahentInnen im Ring bewegen, ist schnell klar, wie gross der Trainingsunterschied zwischen den Profis und dem Imitat ist. Was aber dem Unterhaltungswert des Ganzen keinen Abbruch tut – schliesslich weiss auch bei den Profis das Publikum, dass die Kämpfe nur Show sind und sich niemand wirklich verletzen will.

Doch der grösste Unterschied zwischen «Rock & Wrestling» und den Superstarligen wie der WWE liegt im kommerziellen Anspruch. Der Event, der 2004 als Mottoparty auf dem Dach einer Hinterhofgarage in St. Pauli begann, entwickelte sich schnell zum Subkulturhit im linksalternativen Hamburger Milieu – begründet vom Wirt Baster Ruebsam aka Bumblebee Man. Inzwischen hat sich «Rock & Wrestling» so entwickelt, dass Auslandsgastspiele gegeben werden, wie eben in Zürich. Im Unterschied zur WWE, die Millionen scheffelt, wollen die Veranstalter von «Rock & Wrestling» damit kein Geld verdienen: Die Events sind als Solipartys organisiert, in Zürich wurde ein Hilfsprojekt unterstützt, das mobile Spitäler und Sanitätsausbildungen in Nordsyrien und im Irak aufbaut.

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Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und bekennender Wrestlingfan seit dreissig Jahren.