Kino-Film «Al-Shafaq. Wenn der Himmel sich spaltet»: Mein Sohn, der Gotteskrieger

Nr. 44 –

Dicht an den Schlagzeilen, ist er schon fast zu einem eigenen Genre geworden: der Problemfilm über junge Leute, die sich radikalisieren und in den Heiligen Krieg ziehen. Dabei bleibt der politische Anspruch solcher Geschichten einer Verirrung oft fadenscheinig, der Islamismus ein reines Alibi – ein austauschbarer MacGuffin, der den Plot in Bewegung bringt.

Dem neuen Spielfilm von Esen Isik («Köpek») kann man das nicht vorwerfen. Die Religion in all ihren Schattierungen prägt hier fast das gesamte Personal, allen voran den türkischen Familienvater Abdullah (Kida Khodr Ramadan aus «4 Blocks»). Von Zürich aus reist er in die alte Heimat, weil sein abtrünniger Sohn an der Grenze zu Syrien als islamistischer Krieger gefallen ist. Dort begegnet Abdullah einem Jungen aus einem Flüchtlingslager, der um seinen Bruder trauert. Im Tod der Angehörigen kreuzen sich hier zwei Leben, und besiegelt wird das im traurigen Bild von den zwei Särgen, die nebeneinander in den Leichenwagen geladen werden.

Der strenggläubige Patriarch, der seinen Sohn an den Islamischen Staat verloren hat, trifft auf ein kurdisches Waisenkind, dessen Eltern von ebendiesen Truppen getötet wurden: Andere hätten daraus ein sentimentales Roadmovie über eine ungewöhnliche Freundschaft fabriziert. Esen Isik meidet solchen Kitsch, indem sie die Chronologie ziemlich wild aufbricht. Nur führt das hier dazu, dass die Figuren gar nie so weit kommen, ein Geheimnis zu entwickeln. Vater Abdullah, der zu Beginn so sorgenvoll aus dem Bus schaut, gibt sich in den Rückblenden sogleich als autoritärer Despot zu erkennen, der seine Kinder doch nur zu einem gottgefälligen Leben prügeln wollte.

Die Spannungen in der muslimischen Familie in Zürich, die kurdischen Brüder im Flüchtlingslager, die bigotten Kriegstreiber beim Schweizer Kebabimperium: In solcher Spannweite ist das sehr ambitioniert, als west-östliches Mosaik der komplexen Zusammenhänge. Aber weil dieser Film alles erzählen will, erzählt er nichts richtig.

Al-Shafaq. Wenn der Himmel sich spaltet. Regie und Drehbuch: Esen Isik. Schweiz 2019