Von wem haben Sie am meisten gelernt? Fünfzehn Fragen an Birgit Minichmayr, Schauspielerin in «Wanda, mein Wunder».

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WOZ: Birgit Minichmayr, was ist Ihre frühste Kindheitserinnerung, die mit Kino zu tun hat?
Birgit Minichmayr: Natürlich mein erster Kinobesuch, und zwar die «Unendliche Geschichte». Dieses Erlebnis war so prägend, dass ich mir, so glaube ich, fast jahrelang wirklich einbildete, irgendwann werde es auch mir erscheinen, dieses liebenswerte Ungetüm von Drachen, und mich wahrscheinlich mitnehmen wie so ein Taxi in die andere Welt.

Wer ist der erste Schauspieler oder die erste Schauspielerin, an den oder die Sie eine bewusste Erinnerung haben?
Definitiv Louis de Funès und Adriano Celentano. Letzterer war wahrscheinlich meine ganz erste unerfüllte grosse Liebe.

Was halten Sie für das ärgerlichste Vorurteil über Schauspielerinnen?
Quasi spielst du noch, oder lebst du schon? Also diese permanente Unterstellung, man würde dauernd was vorspielen. Wobei, wenn es sogar so wäre, wäre das auch nicht weiter erwähnenswert. Weil das, so glaube ich, schliesslich alle machen. Wir sind alle mal Tochter, Mutter, Frau, Angestellte …

Was war der beglückendste Moment während der Arbeit an Bettina Oberlis Film «Wanda, mein Wunder»?
Da gab es mehrere. Zum einen war ich einfach extrem begeistert und angetan von meinen Kollegen. Und ich finde, das ist auch eine grosse Stärke des Films, dass er von Bettina so hervorragend besetzt wurde. Das war aber vielleicht auch das Schwierigste daran, so viele Schauspieler vor der Linse zu haben, jeden einzelnen in seinen Reaktionen abzufilmen. Das löste einen enormen Zeitdruck aus, da wir nur dreissig Tage zur Verfügung hatten und das Pensum sehr dicht war. Bettina war es aber ungeheuer wichtig, jedem Einzelnen seinen Platz zu geben. Überhaupt war die Arbeit mit ihr und allen ein grosser Genuss, und nebenbei war dieses elegante alte Haus direkt am Zürichsee bestimmt eines der schönsten Sets überhaupt für mich.

Wann haben Sie Ihren Beruf zuletzt verflucht, und aus welchem Anlass?
Was ich immer wieder von neuem verfluche: die immer noch bestehenden finanziellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Nicht nur in unserem Beruf, schon klar! Aber trotzdem: Es ärgert mich masslos, mich im Vergleich mit den männlichen Kollegen noch immer mit einer Peniszulage – wie das meine Kollegin Sophie Rois so herrlich ausdrückte – konfrontiert zu sehen.

Wovon träumen Sie?
Ich merk mir Träume so schlecht.

Was macht Ihnen Angst?
Dass die Pandemie auch all die Plätze und öffentlichen Begegnungsorte wie Kinos und Theater mit ruiniert. Aber wie heisst es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Von welcher Kollegin, von welchem Kollegen haben Sie am meisten gelernt?
Von dem, von dem ich auch unterrichtet wurde, und zwar nicht nur, was meinen und seinen Beruf angeht: Klaus Maria Brandauer. Er hat alles gesehen, nichts Menschliches ist ihm fremd, er ist intensiv und unerbittlich. Ist besessen von diesem Beruf auf eine schönste Art und Weise. In einer unfassbaren Grosszügigkeit, Liebe und Gemeinheit ist er uns damals im Unterricht begegnet, wiewohl man trotzdem mit all seiner Hartnäckigkeit und Strenge zu kämpfen hatte. Aber ich wäre definitiv eine andere Schauspielerin geworden, wäre ich ihm nicht begegnet, oder ich hätte zumindest länger gebraucht, um mein Darangehen zu finden.

Bei welchem Film wären Sie wahnsinnig gerne auf dem Set dabei gewesen? Warum?
Ich wäre gerne am Set all dieser herrlichen Screwballcomedys der dreissiger und vierziger Jahre dabei gewesen. Da gäbe es allerhand magische Meisterinnen und Meister unseres Fachs zu beobachten.

Wenn Sie sich entscheiden müssten: Würden Sie lieber auf der Bühne spielen oder vor der Kamera? Warum?
Nie werde ich mich entscheiden.

Kinos und Theaterhäuser sind ja auch Pilgerstätten. Wo steht das schönste Kino oder das schönste Theater, das Sie je besucht haben?
Nächste Frage bitte, ich werd mir hier durch ein Ranking nicht meine eventuellen Zukunftsarbeitsstätten vergraulen.

Welche drei Filme würden Sie für die sprichwörtliche einsame Insel einpacken?
Wie sehr ich diese einsamen Inseln hasse!!!

Ihr peinlichster Lieblingsfilm? Und warum ist er Ihnen peinlich?
Mir kann ein Lieblingsfilm irgendwie nicht peinlich sein, weil ich mich, ehrlich gesagt, noch nie für etwas geschämt habe, was ich liebe oder liebte. Aber ich muss zugeben, mitunter Trash zu gucken – das sind natürlich weniger Filme als Serien oder so was, aber davon zu erzählen, birgt eine gewisse Scham bei mir. Wobei ich diesen Trash oft oder fast ausschliesslich als Mittel zum Zweck benutze, um mich zu entspannen. Manchmal nach intensiven Drehtagen oder Theaterproben bekomme ich schwer meinen Kopf zur Ruhe. Ich hab schon alles Mögliche ausprobiert: mit Talkshows, mit Hörbüchern, mit Einschlafmeditationen, mit Musik et cetera. Aber so was befördert meine Aufmerksamkeit eher, als dass ich mich in einen Schlafzustand bringen könnte. Wogegen ich bei all diesem Trash nie das Gefühl habe, etwas zu verpassen, sondern ich bin von vornherein schon entspannter, weil es um gar nichts geht, und das funktioniert momentan am besten, um mich so abzulenken, dass ich müde werde.

Ein sträflich unterschätzter und/oder vergessener Film, für den Sie hier gerne ein bisschen missionieren würden?
«Just the Wind» von Bence Fliegauf. Ich sass damals in der Jury, die den Film an der Berlinale mit dem Amnesty International Award auszeichnete. Gerne hätte ich ihn auch weiterempfohlen, aber er schaffte es nicht mal ins Kino. Lag es an der ungarischen Regierung, die diesen Film ablehnte? Ich weiss es nicht. Es lag jedenfalls nicht am Film, der in seiner stillen Beobachtung dieser Romafamilie eine solch beängstigende Gewalt und Grausamkeit freilegt, mit der sich diese Protagonisten tagein, tagaus auseinandersetzen müssen. Da bleibt einem schier die Luft weg, wenn man mitansehen muss, in welch intuitiver Dringlichkeit diese Kinder sich vor diesen nicht kalkulierbaren, rassistisch motivierten Angriffen zu retten versuchen.

Der wichtigste Rat, den Sie jungen Schauspielerinnen mitgeben würden?
Ui, darin bin ich ganz schlecht, im allgemeinen Rat. Aber vielleicht mein ganz persönliches Empfinden über Schauspielerei: Es ist ein absoluter Augenblicklichkeitsberuf, dazu sollte man sich Zugang verschaffen!

Birgit Minichmayr

Nach einer Kindheit auf einem Bauernhof in der Nähe von Linz bildete sich Birgit Minichmayr (43) in Wien zur Schauspielerin aus. Heute ist sie Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Neben der Bühne spielte sie in zahlreichen Filmen mit. Etwa im Beziehungsstück «Alle anderen» von Maren Ade und kürzlich im Dreiteiler «Die neue Zeit» über die Gründerjahre des Bauhauses. Der geplante Schweizer Kinostart von «Wanda, mein Wunder» ist der 11. März.