Serie: Reparierte Traumfabrik

Nr. 4 –

Ironie unserer Tage: Ausgerechnet mit Netflix lässt sich gut über die Geschichte Hollywoods nachdenken. Sei das mit David Finchers «Mank» (siehe WOZ Nr. 47/2020 ) zum Drehbuchautor des Überklassikers «Citizen Kane» – oder mit Ryan Murphys bunter Miniserie «Hollywood». Murphy ist der Akkordarbeiter der Streamingplattform, er liefert Shows am Laufmeter, und entsprechend wacklig ist zuweilen die Qualität.

Trotzdem lohnt sich ein Abstecher. Denn anders als Fincher, der – augenzwinkernd authentisch – nachzustellen versucht, wie es war im männlichen Geniegarten des alten Hollywood, richtet Murphy die diskriminierungsgeschärfte Linse von heute auf die Traumfabrik von gestern. So entsteht eine Gegengeschichte, die uns ebenso viel über Gegenwart erzählt wie über die Nachkriegszeit, in der sie spielt. Hollywood ist in Murphys Metaphorik eine blitzblanke Garage. Aufs Codewort «Nimm mich mit ins Traumland» hüpft ein strahlender Mitarbeiter, der auch ein Filmstar sein könnte, ins Auto und kümmert sich auf jede erdenkliche Weise um die Kundin, den Kunden.

Hollywoods Studiosystem als Prostitutionsnetzwerk: plakativ, aber kaum fern der Wahrheit. Der Einfall gibt Murphy zudem Gelegenheit, die vielen versteckt schwulen Akteure des Unterhaltungskinos von damals hervorzuheben. Rock Hudson etwa ist in diesem Achtteiler ein mittelmässiger Schauspieler, aber ein feiner Kerl, der mit einem hinreissenden Schwarzen Drehbuchautor sein Liebesglück findet. Die beiden sind Teil eines – erfundenen – Filmprojekts, in dem alle Underdogs des rassistischen, sexistischen, verlogen heterosexuellen alten Hollywood zu ihrem Recht kommen – vor und hinter der Kamera.

«Hollywood» will der historischen Realität den Muff quasi im Schnellverfahren austreiben, nur um dann doch wieder davon eingeholt zu werden. Der Ku-Klux-Klan droht mit brennenden Kreuzen, die Südstaatenkinos boykottieren den Film. Womöglich ist es diese Unentschlossenheit zwischen befreiender Utopie und Realismus, die einen etwas ratlos zurücklässt.

«Hollywood». Regie: Ryan Murphy. Netflix. USA 2020.