Die CS und der Greensill-Skandal: Hunderte Millionen für einen Kohlebaron

Nr. 12 –

Mit Geld aus Anlagefonds der Credit Suisse finanzierte das nun bankrotte Finanzunternehmen Greensill Capital fragwürdige Firmen – etwa den US-Kohlekonzern Bluestone Resources.

Die Credit Suisse ist wieder einmal in einen Skandal verstrickt. Diesmal geht es um vier ihrer Fonds, die am Schluss Wertpapiere im Umfang von 10 Milliarden US-Dollar verwalteten. Die CS musste die Fonds Anfang Monat wegen vieler Ungereimtheiten notfallmässig schliessen. Das mit den Fonds verbandelte Finanzunternehmen Greensill Capital hat Konkurs angemeldet. 3,1 Milliarden konnte sie inzwischen den rund tausend AnlegerInnen zurückzahlen. Ob der Rest jemals zurückgezahlt wird, bleibt unklar.

Die CS hatte 2018 angefangen, Wertpapiere des britischen Finanzunternehmens Greensill Capital für Anlagefonds im Bereich Supply Chain Finance aufzukaufen. Greensills Geschäftsmodell bestand unter anderem darin, Lieferantenrechnungen von Unternehmen zu bezahlen – allerdings mit einem Abschlag. Für den Kredit verlangte Greensill jedoch den vollen Rechnungsbetrag zurück.

«Risikoarm mit attraktiver Rendite»

Aus diesen Handelsfinanzierungen fabrizierte Greensill handelbare Wertpapiere mit einer kurzen Laufzeit und verkaufte sie etwa den Anlagefonds der Credit Suisse. Greensill verschob also das Risiko, dass ein Unternehmen am Ende doch nicht zahlt, auf die Fonds. Diese wiederum sicherten die Papiere bei Versicherungen gegen Verluste ab. Das Ganze funktionierte eine Zeit lang wunderbar: Immer mehr Superreiche, aber auch sogenannt institutionelle Anleger wie Pensionskassen kauften Fondsanteile. Aus dem im Grunde sinnvollen Geschäft der Handelsfinanzierung wurde ein Fressen für nur indirekt Beteiligte: Die CS konnte für die Verwaltung ihrer Fonds hohe Provisionen einkassieren, die Versicherungen konnten Gebühren verlangen und die AnlegerInnen auf einen relativ hohen Zins hoffen. Die CS vermarktete das mit dem Märchen vom Win-win-win: «Supply Chain Finance erhöht den finanziellen Spielraum von Käufern sowie Lieferanten und hebt die Stimmung der Finanzchefs. Spezialisierte Investment-Strategien ermöglichen kurzfristige risikoarme Anlagen mit attraktiven Renditen.»

Doch eine «risikoarme», kurzfristige Anlage mit relativ hoher Rendite hat immer einen Haken, insbesondere wenn so viele Beteiligte Gewinn daraus ziehen wollen. Inzwischen ist klar: Greensill vergab auch Grosskredite an finanziell angeschlagene Unternehmen, die sonst keine Chance hätten, einen Kredit zu bekommen. Ein Beispiel dafür ist das US-Kohleunternehmen Bluestone Resources. Das Unternehmen ist laut der Rechercheplattform Pro Publica in bislang 600 Gerichtsverfahren verwickelt. Notorisch zahlt es seine Rechnungen nicht, bringt ArbeiterInnen um Löhne, foutiert sich um die vielen Bussen, die es wegen Umweltschäden kassiert, und weigert sich oft sogar, die Honorarforderungen seiner Anwälte zu begleichen.

Kohlebaron, Trump-Fan, Gouverneur

Bluestone erhielt 2018 von Greensill einen Kredit in der Höhe von sagenhaften 850 Millionen US-Dollar. Damit wollte das Unternehmen sein Kohlegeschäft in Schwung bringen, das es zwei Jahre zuvor vom russischen Unternehmen Mechel zurückgekauft hatte. Wie sehr Bluestone aufs Geld angewiesen war, zeigen die vereinbarten Konditionen, die aufgrund einer Klage von Bluestone gegen Greensill kürzlich öffentlich wurden: Greensill kassierte gleich zu Beginn 108 Millionen Dollar an Gebühren ab, weitere 19 Millionen wurden als erste Zinszahlung einkassiert. Von den 850 Millionen US-Dollar Kredit wurden also nur 723 Millionen ausbezahlt, fast 15 Prozent einbehalten.

Bluestone ist im Besitz der Familie von Jim Justice, Gouverneur des Staates West Virginia, wo das Firmenkonglomerat mehrere Kohleminen besitzt. Justice wurde als Mitglied der Demokratischen Partei gewählt. Im August 2017 kündigte er auf einer Massenveranstaltung den Übertritt zu den RepublikanerInnen an. Grund dafür: US-Präsident Donald Trump. «Ich liebe ihn über alles», sagte er damals.

Tatsächlich setzte sich Trump schon immer für die Kohleindustrie ein und liess nach seiner Machtübernahme Regulierungen der Vorgängerregierung von Barack Obama ausser Kraft setzen. Für Justice ein Segen. Denn er liegt im Dauerclinch mit den Umweltbehörden. Justice lässt Kohle im Tagebau fördern. Dabei wird auch schon mal eine ganze Bergspitze weggesprengt. Dieses «Mountaintop Mining» ist höchst umstritten, nicht zuletzt, weil es zu Gewässerverschmutzung führt. Justice’ Firmenkonglomerat musste im Dezember 2020 270 000 US-Dollar an eine Umweltstiftung bezahlen, weil durch seine Red-Fox-Kohlemine eine zu hohe Konzentration von giftigem Selen in die angrenzenden Gewässer gelangt war. Die US-Justizbehörden verlangen zudem 3,2 Millionen von ihm, weil mehrere seiner Kohlefirmen notorisch Gewässer verschmutzen und er sich bislang nicht an Abmachungen gehalten hat. Auch Renaturierungen ausgebeuteter Gebiete verschlampt Justice regelmässig.

Ein expandierendes Kohlegeschäft sowie Mountaintop Mining und dieses Geschäftsgebaren sollten eigentlich selbst für die CS zu viel sein. Doch über ihre Fonds wurde, mindestens teilweise, auch der Bluestone-Kredit finanziert. In den Umweltrichtlinien schliesst sie explizit die direkte Finanzierung von Unternehmen aus, die im Mountaintop-Mining-Geschäft tätig sind. Auf Nachfrage der WOZ schreibt die CS-Medienstelle jedoch: «Die Credit Suisse hat keine direkten Geschäftsbeziehungen zu Bluestone Resources.» Wenn Umweltsünder dank Fonds der CS indirekt zu Kapital kommen, so ist es der Bank also egal. Nicht beantworten wollte die CS die Frage, ob sie ihre FondskundInnen über die klima- und umweltschädigende Tätigkeit von Bluestone informiert habe. «Die Sachlage rund um die Supply Chain Finance Funds» sei «Gegenstand weiterer Untersuchungen», heisst es dazu.

Juristenfutter

Die Credit Suisse muss in der nächsten Zeit noch viele Fragen beantworten, und einfach zu schweigen wird wohl kaum möglich sein. Denn die Geschichte um Bluestone ist eher ein Nebenschauplatz. Noch viel dramatischer sind andere Ungereimtheiten bei der Kreditvergabe von Greensill. So hat das Unternehmen mit mehreren Milliarden die Expansion des indisch-britischen Unternehmers Sanjeev Gupta finanziert. Dieser hatte in den letzten Jahren mehrere Stahl- und Aluminiumwerke in Grossbritannien gekauft. Nun muss auch er die Schulden zurückzahlen. Wie er gleichzeitig seine Betriebe weiterführen kann, ist offen. Zehntausende Arbeitsplätze sind bedroht.

Schon jetzt ist klar: Die ganze Geschichte wird Juristenfutter. Bluestone etwa will die 850 Millionen nicht zurückgeben. Doch die CS-KundInnen warten auf ihr Geld. Und die Versicherungen sagen, sie seien getäuscht worden und könnten sich weigern zu zahlen. Die CS muss dringend erklären, weshalb ihren ManagerInnen die vielen Ungereimtheiten nicht aufgefallen sind. Die Bank hat als Reaktion auf den Skandal einige Führungskräfte abgesetzt und Bonizahlungen gekürzt. Doch das dürfte kaum genügen.