Myanmar: Auf die Nachbarn ist Verlass

Nr. 13 –

Wirtschaftliche Sanktionen zwingen die Militärjunta in Myanmar nicht in die Knie. Es sei denn, China und Russland würden dem Mörderregime ihre schützende Hand entziehen.

Mit gezielten Morden an Kindern, Frauen und Männern versucht die Militärjunta in Myanmar inzwischen, den seit zwei Monaten anhaltenden Widerstand der Bevölkerung zu brechen. Allein am Wochenende ermordeten Soldaten bei den landesweiten Demonstrationen mindestens hundert Menschen. Internationale Protestnoten und Sanktionen gegen die Militärs verpuffen. Das war bereits beim Genozid und der Vertreibung der Rohingya der Fall.

Die Junta kann sich auf ihre Nachbarn bislang weitgehend verlassen. China, Thailand, Laos und Vietnam legitimierten die Putschisten soeben mit der Teilnahme am «Tag der Streitkräfte» – auch Indien und Bangladesch waren mit dabei. China steht zwar nicht uneingeschränkt hinter den Militärs, entzieht ihnen aber bisher auch nicht die Unterstützung. Das rohstoffreiche Myanmar ist für die Weltmacht geostrategisch zu wichtig: Der Zugang zum Indischen Ozean ist verglichen mit der überlasteten Strasse von Malakka deutlich kürzer. Durch das Nadelöhr zwischen Singapur und Indonesien fliessen vier Fünftel der Öleinfuhren Chinas. Auch im Süden Thailands, am Isthmus von Kra, möchte China deshalb einen gigantischen Kanal bauen.

Ohne China geht nichts

Menschenrechte spielen in der Region eine untergeordnete Rolle, die Demokratie hat einen ausserordentlich schweren Stand. In Thailand putschte das Militär 2014 und hält sich bis heute an der Macht. In Kambodscha herrscht mittlerweile eine Einparteiendiktatur, auf den Philippinen ein autoritärer Präsident. In Hongkong schleift China die demokratischen Institutionen. In ihrem Hinterhof baut die Weltmacht den Einfluss mit den gigantischen Belt-and-Road-Investitionen aus.

Wie gross dieser Einfluss ist, verdeutlichen zwei Zahlen: 2019 betrug das Handelsvolumen zwischen den zehn Asean-Staaten und den USA 330 Milliarden US-Dollar, jenes zwischen China und Asean 520 Milliarden. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil Südostasien nach den USA, China und der EU wohl schon in wenigen Jahren zum viertgrössten Wirtschaftsraum der Welt aufsteigen wird.

In Thailand, nach Indonesien die zweitgrösste Volkswirtschaft Südostasiens, löst China gerade Japan als bedeutendsten ausländischen Investor ab. Chinesische Baufirmen haben Ausschreibungen beim Ausbau der Eisenbahn gewonnen, chinesische Telekommunikationsfirmen investieren in Kommunikationsnetze und Datenzentren. In einer der wichtigsten Branchen des Landes, dem Tourismus, waren vor der Pandemie von den jährlich vierzig Millionen TouristInnen bereits mehr als die Hälfte ChinesInnen.

Für die Thais fällt dabei nicht viel ab. China implementiert wie überall in der Region seine eigenen Wertschöpfungsketten – ein Grossteil des Geldes fliesst zurück ins eigene Land. Thailand ist eine vergleichsweise starke Volkswirtschaft, die sich zu wehren versteht, die Regierung laviert geschickt zwischen den beiden Weltmächten China und USA.

Brachiale Naturzerstörung

Was chinesische Investitionen beziehungsweise Kredite in schwachen Staaten anrichten, lässt sich in Laos beobachten. Das arme Land steht vor dem Staatsbankrott. Seine Währungsreserven liegen unter einer Milliarde Dollar. Laos muss allerdings bis 2024 jährlich eine Milliarde an Schulden zurückbezahlen. China ist nicht der einzige Investor, aber der Hauptgläubiger des Landes.

Die staatliche Aussenhandelsbank China Exim etwa finanziert in Laos eine neue Eisenbahnlinie, die Chinas abgelegene südwestliche Provinzen mit Laos’ Hauptstadt Vientiane verbinden wird – und irgendwann an Thailand, Malaysia und Singapur anbinden soll. Das Projekt mit 170 Brücken und 72 Tunnels kostet sechs Milliarden Dollar. Gebaut wird es von chinesischen ArbeiterInnen. Dasselbe Muster bei den vielen der weit über hundert kleineren und grossen Dammbauvorhaben.

Die Folgen lassen sich am Nam Ou besichtigen, dem grössten Binnenfluss des Landes. Drei Staudämme an seinem Oberlauf unterbrechen die Wasserstrasse in der unzugänglichen Gebirgslandschaft. Viele dieser in Dschungelgebieten gelegenen Dörfer sind nicht an eine Strasse angebunden, der Wasserweg ist ihre Verbindung zur Welt. Den Bau der Staumauern bewerkstelligten chinesische ArbeiterInnen. Für die LaotInnen – 5,6 Millionen arbeiten in der Landwirtschaft – fällt wenig ab. Den Schaden tragen allerdings sie, die brachialen Eingriffe gefährden ihre vielfältige Lebenskultur und verursachen ökologische Schäden.

China kontrolliert ausserdem auf eigenem Staatsgebiet am Oberlauf des Mekongs mit Staudämmen die Wasserversorgung bis ins Mekongdelta. Das bleibt nicht ohne Folgen für das ökologische Gleichgewicht, die Fischerei und die Landwirtschaft entlang des längsten Flusses Asiens, von denen Millionen Menschen in Thailand, Kambodscha und Vietnam leben.

Die Abhängigkeit Südostasiens vom Reich der Mitte nimmt weiter zu. Sanktionen westlicher Staaten gegen die Militärjunta in Myanmar laufen daher ins Leere, solange China seine schützende Hand über das Terrorregime hält. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf Russland, das seinen Vizeverteidigungsminister an den «Tag der Streitkräfte» schickte. Wie es aussieht, wird es allein auf die Leidensfähigkeit und den Widerstand der Bevölkerung von Myanmar ankommen, soll das Land zurück zu Demokratie und Freiheit finden.