Leser:innenbriefe

Nr. 6 –

Des Menschen ungleiche Beziehung zu Tieren

«Tierschutz: Grundrechte für Verwandte», WOZ Nr. 4/2022

«Grundrechte für Primaten» ist tatsächlich weltweit die erste und einzige derartige Vorlage. Aber auch die im Bericht gleichzeitig vorgestellte Tierversuchsverbotsinitiative würde bei einer Annahme die Schweiz zum einzigen Land der totalen Versuchstierbefreiung machen. Wenn beide Vorlagen angenommen würden, wäre dies ein Traum für alle sogenannten Antispeziesist:innen.

Das sind Menschen, die keine Diskriminierung anderer Spezies mehr wollen. Und sie brauchen für diese Erkenntnis keine Ethikerinnen oder Philosophen zu sein: Alle Tiere, auch jene, die extra für Experimente, aber auch schon nur für Nahrungsmittel oder Kleider gezüchtet werden, sind empfindsam und leidensfähig. Sie wollen leben wie wir, ohne Angst, Schmerzen und vorzeitige Tötung.

Renato Werndli, Eichberg

Überall sind Tiere uns Menschen zu Diensten. Im Zoo zur Freude und Verzückung der Menschen, in der Forschung zur immer besseren medizinischen Versorgung der Menschen, in der Landwirtschaft für immer billigere Lebensmittel für Menschen. Wir menschlichen Primaten profitieren von solch ungleichen Beziehungen ungemein, denn wir leben gut auf Kosten von Tieren und der Umwelt. Man nennt es Ausbeutung!

Immer noch überwiegen menschliche Interessen jene der Tiere. Wir nehmen und nehmen und nehmen. Wäre es nicht an der Zeit, dass wir uns endlich einmal dankbar zeigen? Denn wir bekommen so viel, und das meist auch noch sehr billig: Aufmerksamkeit, Zuneigung, Folgsamkeit, Vertrauen, maximale Arbeitsleistung, Demut, Sanftheit und vieles mehr.

Wir berauben Tiere ihrer Freiheit und der Selbstbestimmung über ihre Körper und ihre Lebensumstände. Wir entnehmen ihnen (oft maschinell, also auch noch ohne Körperkontakt) ihre Körpersäfte. Wir erachten es als unser gutes Recht, über ihre Körper zu verfügen, wie es uns gerade passt. Wenn wir ihre toten Körper zu Nahrung verarbeiten und dann verzehren (Aas!), machen wir uns kaum Gedanken darüber, dass wir damit jemanden seines Lebens beraubt haben. Tiere haben auch nur eines!

Zivilisation ist, wenn eine Gabe mit einer Gegengabe erwidert wird. Wie könnte sich die Menschheit bei der Tierwelt revanchieren? Meine Vision ist eine Gesellschaft, in der Tiere vor Leid bewahrt werden. Daher befürworte ich die beiden Initiativen «Gegen die Massentierhaltung» und «Grundrechte für Primaten».

Rosemarie Imhof, Allschwil

Im Gedenken an Henrika Sigmann

Am 27. Januar kam ich um sechs Uhr abends aus dem Haus Langstrasse 6, im Zürcher Kreis 4. Vor dem Hauseingang, auf dem Trottoir, stolperte ich fast über einen Blumentopf. Neben dem Topf stand ein Schild, auf dem zu lesen war:

«Heute, 27. 1. 2022, ist der Holocaust-Gedenktag. Wir gedenken der hier wohnhaften Jüdin Henrika Sigmann, die vor 77 Jahren im KZ Auschwitz umgekommen ist. Wir gedenken auch der übrigen rund 200 Schweizer, die in der Shoah ihr Leben verloren.»

Henrika wurde am 17. Februar 1899 in Zboro (damals Ungarn) in eine jüdische Familie hineingeboren, die im August 1901 nach Zürich umsiedelte. Henrika blieb vorerst bei den Grosseltern in Zboro. 1909 kam sie nach Zürich, wo sie die Primar- und die Sekundarschule besuchte. Die Familie wohnte an der Langstrasse 6. 1918 erhielt die Familie von Henrika die Schweizer Staatsbürgerschaft.

1922 heiratete Henrika Bernhard D. Sigmann, der aus Galizien stammte, wodurch sie ihr Schweizer Bürgerrecht verlor. Das Ehepaar Sigmann liess sich in Amsterdam nieder. Am 10. Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Am 18. Januar 1943 wurden sie, ihr Mann und ihre beiden ältesten Söhne nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.

Hat sich seither in der Schweiz etwas verändert? Frauen, die einen Ausländer heirateten, verlieren seit 1952 nicht mehr die Schweizer Staatsbürgerschaft. Leider wurden wie im Zweiten Weltkrieg nach 1945 erneut Krieg führenden, folternden und menschenrechtsverletzenden Regimen Kriegsmaterial geliefert, während des Korea-, des Indochina-, des Vietnamkriegs, der Massaker auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Mittel- und Südamerika, in Afghanistan, in Afrika. Schweizer Geldhäuser investierten weiter Milliarden in ausländische Rüstungskonzerne, die florierten. Sie investieren sogar heute noch in Unternehmen, die Atombomben herstellen.

Heinrich Frei, Zürich