Wichtig zu wissen: Moskau macht schöne Augen

Nr. 6 –

Ruedi Widmer über Russland, uns und historische Brücken

Der Grossjachtbesitzer, Amazonis und gerade zweitreichste Mensch der Welt, Jeff Bezos (zz. Rotterdam), tut mir echt leid: Wenn ich als einfacher Mann (zz. Zürich West) dahergelaufen komme, werden nicht wie bei ihm historische Brücken abgebaut, sondern begeistert und mit viel Baulärm Wolkenkratzer hochgezogen, Verkehrsachsen geschlagen, Tramlinien verlängert.

«Brief aus Moskau»: Das klingt nach einem James-Bond-Film von circa 1965, ist aber voll 2022. Die Schweiz muss sich entscheiden, ob sie zu Russland gehören will oder nicht. Irgendwas in der Art steht im Brief, den das EDA vom russischen Aussenminister Sergei Lawrow erhalten hat.

Hätten unsere kruppstalinistischen Rechtsbürgerlichen vor einem Jahr noch freudig zugestimmt, sind diverse Truppenkontingente der SVP inzwischen zur Nato übergelaufen, einerseits wegen der F-35-Lieferung, und andererseits wissen sie, dass der Oberbefehlshaber der Nato bald wieder Donald Trump heissen wird. Markus Somm warnte in der «SonntagsZeitung» vor Wladimir Putin, obwohl sein geistiger Mentor Roger Köppel doch erst noch zarte Gefühle für die russischen Giftlereien hatte. In Deutschland sieht sich der russische Gaskanzler «Gerhard Fritz Kurt ‹Gerd› Schröder» (Wikipedia) mit seiner Gasmostpolitik zunehmender Kritik seiner alten SPD ausgesetzt. Offenbar gibt es bei den Linken noch viele, die erst jetzt merken, dass Putin kein Sozialist ist. Aber die öffentliche Meinung beginnt, sich für den Westen zu entscheiden. Die Nord-Stream-Medien werden abgestraft, der Transatlantikwall beginnt, sich zu erheben.

Doch ist das gut? Die Schweiz braucht das russische Gas, es gibt kein Schweizer Gas. Wir Schweizer:innen in unseren Einfamilienhäusern sind total auf Russland angewiesen, wir wohnen schliesslich in Gazpromgarten, Rosneftenbach, Rasputinnertkirchen, Aerofloltern am Albis, Wodkaiseraugst, Stroganoffretikon, Stalinthal, Gagarisdorf, Medwedewil, Iljuschinznach Bad, Zarzach Bad; ja, nur schon alle die Tschaikowskiorte, die jetzt geheizt werden müssen! Wir brauchen Gas für unsere Outdoorkocher, wenn wir das Wladiwostockhorn oder das Jelzinalrothorn besteigen. Wir brauchen Gas zum Backen für unser Sauerteigbrot mit feiner Chruschtschow. Die Kinder in Borschtschach brauchen ihre warme Kasparovomaltine zum Zmorgen.

Vielleicht reicht ein Rahmenabkommen mit Russland, für einen Vollbeitritt ist es noch zu früh. Andererseits wäre es einfacher, Russland träte der Schweiz bei. Die Wirtschaftsleistung des Riesenreichs ist etwa gleich gross wie diejenige des Kantons Solothurn, dann könnte Putin noch vom kantonalen Finanzausgleich profitieren. Und so würde das gesamte russische Gas der Schweiz gehören. Dann können wir gleich auch die Umstellung von der veralteten Solar- und Windenergie auf Gas in die Hand nehmen und der atomstromfressenden Elektromobilität den Kampf ansagen und wieder Vollgas geben.

Aber wenn wir schon auf Brautschau sind, warum nicht die Ukraine? Ganz einfach: Was wollen wir mit den Ukrainern, Menschen von einem Land, das ganz flach ist, das Gegenteil unseres schönen Alpenlands? Die Ukrainer hören Ukrainermusik, zwar mit reichlich Donbass, aber es ist halt nur U-Musik. Wir Alpenbewohner hingegen hören Oberkrainermusik, weil wir oben sind, oben auf dem Bergli und an der Weltspitze (der durchschnittlichen). Und an alle Linken, die sich plötzlich zur Nato hingezogen fühlen: Wer die Ukraine statt Russland ehelicht, erhält Tschernobyl als Mitgift.

Deshalb: Die Schweiz gehört zu Russland. So kann uns der Russe nicht einfach das Gas abstellen. Denn wenn es wirklich zu einer Gaskrise kommt, wird uns das BAG das Tragen von Gasmasken in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und Restaurants verordnen. Und das nur wenige Tage nach der Aufhebung der Covid-Maskenpflicht. Das will niemand.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.