Gnod: Meister des Unbehagens

Nr. 14 –

Die Musik der Band aus Nordengland klingt apokalyptisch, ihre hypnotische Rhythmik ist zugleich ungemein anziehend. Das Album «Hexen Valley» ist ein dunkler psychedelischer Exzess.

Wut, kanalisiert in wuchtige Grooves: Gnod.

Man kann leicht den Kontakt zum Horizont verlieren, wenn man sich auf dieses Riff einlässt, wie auf einem unangenehm schwankenden Schiff oder einer rasenden Fahrt über eine Serpentine. Es wird gespielt vom Bass, ein monströser kerniger Sound, und besteht aus nicht mehr als zwei Tönen, die aufgekratzt auf der Stelle treten. Doch der Beat versetzt es in eine unwiderstehliche Bewegung, die sofort den Anschein erweckt, als würde sie nie mehr zur Ruhe kommen – tatsächlich sind es immerhin fünfzehn Minuten, so lange dauert das Stück. Die restlichen Klänge nehmen gar nicht erst feste Formen an, Gitarren und Synthesizer beschwören eine impressionistische Lärmkulisse, die so unabsehbare Schlaufen zieht, dass einem nichts bleibt, als dem schwindligen Basslauf in den Abgrund zu folgen.

Die Meister des Unbehagens, die hier aufspielen, heissen Gnod, und das Stück ist «Spotlight» von ihrem neuen Album «Hexen Valley». Die Band ist darauf in Bestform zu hören, vom paranoiden Postpunk von «Bad Apple», einem spontan im Studio entstandenen Song, bis zum Lou-Reed-Cover «Waves of Fear», das den feingliedrigen New Wave des Originals in brachialen Stoner Rock verwandelt.

Repetition und Exzess

Die situative und kollektive Entstehung des Albums ist typisch für Gnod. Drei Musiker der momentanen Bandbesetzung sind Teil eines genossenschaftlichen Wohnprojekts in einem alten Pub in Hebden Bridge, einem Städtchen nördlich von Manchester. Im letzten Sommer machten sie sich dort an die Arbeit, dachten dabei an die malerische Landschaft des umliegenden Tals und die trostlosen Siedlungen an dessen Sohle, hörten Pubgesprächen zu und lasen die Anschlagtafel im Supermarkt. Der Punksprechgesang von Paddy Shine ist nur in Fetzen verständlich, aber die Haltung drückt verlässlich durch: Widerstand gegen das System und seine Zurichtung der Psyche.

Seit der Gründung 2006 in Nordengland bilden Gnod immer wieder neue Formationen, jeweils für ein Album oder eine Tour, aus einer Liste von rotierenden Musiker:innen oder in Kollaborationen mit anderen Bands. So tun sich in ihrer verschachtelten Diskografie unzählige Welten auf, konstant bleibt ihre Liebe zur Repetition und ihr Hang zum psychedelischen Exzess. Gnod interessieren sich weniger für die Konstruktion von Songs als für intuitive Evolution, schwindelerregende Grooves und die bodenlosen Tiefen in den Schattierungen von Sounds. Faszinierend an dieser Musik ist das spezifische Gefühl, das sie auslöst: Das Unbehagen hält sich die Waage mit der ungemein belebenden Wirkung, die von der hypnotischen Rhythmik ausgeht – ein apokalyptischer Freudentanz.

Die Alben von Gnod sind Erfahrungswelten, bauen eine je eigene verbindliche Atmosphäre auf. Da ist etwa das vergleichsweise heitere, aber unglaublich vertrippte Krautrock-Album «Dropout with White Hills II» (2011), aufgenommen mit der New Yorker Space-Rock-Band White Hills. Oder «Infinity Machines» (2015) mit seinem kolossalen elektronischen Sound aus Drone, Free Jazz und dunklem Ambient. Oder dann «Mirror» (2016), das mit seinen kantigen Postpunk-Grooves das Spätwerk einleitete.

Roher und unschärfer

Mehr Wut ist zu hören in dieser Phase, kanalisiert in wuchtige Grooves. Solche findet man auf dem charmant betitelten «Just Say No to the Psycho Right-Wing Capitalist Fascist Industrial Death Machine» (2017), auf «La Mort du sens», erschienen vor weniger als einem Jahr, und nun wieder auf «Hexen Valley». Dazwischen veröffentlichten Gnod noch ein Album mit filigranen Jams mit dem portugiesischen Perkussionisten João Pais Filipe.

Der Sound auf «Hexen Valley» ist deutlich roher und unschärfer als noch auf den Alben davor. Abgesehen davon, dass es eh erfreulich ist, wenn eine Band sich für einmal in diese Richtung bewegt, erzeugt das auch eine reizvolle Wirkung: ein massiertes Gefüge, einen zwingenden Sog. Schön zu hören ist das im furiosen «Still Runnin’», das zwar von einem prägnanten Gitarrenriff eingeführt wird, dann aber im rollenden kollektiven Taumel aufgeht.

Das für den 12. April 2022 im «Helsinki» in Zürich geplante Konzert wurde abgesagt.

Gnod: Hexen Valley. Rocket Recordings/Cargo. 2022