Auf allen Kanälen: Müde Pflichtübung

Nr. 21 –

Angepriesen wie ein Blockbuster, ist der Dokfilm «Pandamned» nur eine Sammlung bekannter Positionen der üblichen Coronaskeptiker:innen.

Die Pandemie ist nicht vorbei. Nicht in epidemiologischer Hinsicht, vor allem aber nicht für die Kritiker:innen der Coronamassnahmen. Zwar sind diese mittlerweile weitgehend aufgehoben, aber die Empörung und der Groll über das angebliche grosse Unrecht, das uns während der Pandemie angetan worden sei, sind noch da. Die Show geht also weiter.

Der neuste Akt ist der Dokumentarfilm «Pandamned» des niederländischen Filmemachers Marijn Poels. Am 11. Mai hatte er im Netz Premiere und stiess sogleich auf grosse Resonanz. In der Zeitschrift «Zeitpunkt», eine der wichtigsten Plattformen für Coronaskeptiker:innen in der Schweiz, wird er als «grosser Weckruf» gefeiert. Finanziert wurde «Pandamned» durch ein Crowdfunding, und als Koproduzent waltete der «Weltwoche»-Autor Milosz Matuschek, eine viel beachtete Stimme im deutschsprachigen coronaskeptischen Milieu.

Philosophisch tollkühn

Das Filmplakat verspricht in Blockbustermanier Tod, Gefahr und Enthüllung, und die vielen bekannten Namen – von Daniele Ganser über Ulrike Guérot bis zu Sucharit Bhakdi – lassen Grosses erahnen. Die versammelte Crème de la Crème von Denker:innen, die sich ausserhalb des «Mainstreams» wähnen, verspricht doch ein paar aufregende Neuigkeiten oder zumindest den einen oder anderen Skandal. Doch der versprochene «Weckruf» erweist sich als sonderbar substanzloser Rohrkrepierer.

Die ehemalige Medizinprofessorin Dolores Cahill erklärt im Film, dass ausnahmslos alle, die sich mit einem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 haben immunisieren lassen, in drei bis fünf Jahren sterben würden. Bhakdi, emeritierter Professor für Mikrobiologie und Verfasser mehrerer Bestseller zur Pandemie, wiederholt die von ihm von Anfang an kolportierte Falschinformation, das Coronavirus sei ungefährlich und die Impfung dagegen eigentlich die wahre tödliche Gefahr.

Nicht nur die medizinischen, auch die gesellschaftspolitischen Kommentare in «Pandamned» sind weder gehaltvoll noch neu. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot erklärt in einem philosophisch tollkühnen Plädoyer, eine Regierung habe gar nicht die Aufgabe, ihre Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Wofür Regierungen dann überhaupt existieren, erklärt Guérot nicht. Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft, wittert eine weltweite journalistische Verschwörung, weil die britische BBC schon 2019 kritisch über Impfgegner:innen berichtete. Dass es dafür gute Gründe gab – Impfgegnerschaft führt auch bei anderen Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln zu vermeidbarem Leid – , kommt Meyen nicht in den Sinn. Auch Matuschek meldet sich als Protagonist zu Wort. Er erklärt, es sei doch unverständlich und suspekt, dass ausgerechnet Gesunde von den Coronamassnahmen betroffen gewesen seien. Wie sich Infektionskrankheiten wie etwa Covid-19 verbreiten, hat Milosz Matuschek offenbar noch immer nicht verstanden.

Gansers Nazivergleich

Der Tiefpunkt ist der Auftritt des Historikers und selbsternannten Friedensforschers Daniele Ganser: Er vergleicht die Behandlung Ungeimpfter mit der Vergasung von Jüdinnen und Juden im «Dritten Reich» und mit dem Genozid in Kambodscha unter Pol Pot. Nur sei die Covid-Situation noch schlimmer, denn der «Wahnsinn» habe in den Fällen von Nazideutschland und den Roten Khmer in einzelnen Ländern stattgefunden, während er in der Pandemie ein weltweites Ausmass angenommen habe.

Im rund zweistündigen Film kommt kein einziges neues Argument vor, geschweige denn neue Fakten. Das Marketing von «Pandamned», das einen mitreissenden Blockbuster verspricht, entpuppt sich selbst vom Unterhaltungswert her als enttäuschende Mogelpackung. Der Film ist wenig mehr als eine uninspirierte Aneinanderreihung blosser Behauptungen prominenter Coronaskeptiker:innen in düsterem Ambiente. Als ob die müden und resignierten Stars aus der Querdenker:innenszene noch einmal zu einer Pflichtübung angetreten wären.

Aber warum entsteht um einen derart tristen Film ein solcher Hype? Die Funktion von «Pandamned» ist gar nicht so sehr, neue Fakten zu präsentieren. Es geht eher um den inneren Zusammenhalt der massnahmenkritischen Bewegung: eine rituelle Wiederholung der geteilten Glaubenssätze, um das eingeschworene Publikum in seinen Überzeugungen zu bestärken.