Auf allen Kanälen: Keine Kinkerlitzchen

Nr. 9 –

«Einblicke in das wilde Herz der Kultur» will das Onlineportal «Frida» seit einem Jahr vermitteln. Herzblut ist ihm nicht abzusprechen, das Wilde sucht man zumeist vergeblich.

Logo des Kulturmagazins «Frida»


Das Werk der feministischen Konzeptkünstlerin Valie Export, mittlerweile 82, ist in vielem «auch nach Jahrzehnten inhaltlich hoch aktuell und hat erstaunliche Parallelen zu den Mechanismen in den sozialen Medien», versichert Helena Krauser im Kulturmagazin «Frida». Anlässlich einer Ausstellung im Fotomuseum Winterthur beschreibt sie einige der frühen spektakulären Arbeiten von Export aus den 1960er und 1970er Jahren und vergleicht eine davon mit einer Instagram-Aktion einer jüngeren «Influencerin» als Beispiel einer neuen Selbstermächtigung von Frauen.

Projekt als Familienunternehmen

«Frida» ist vor einem Jahr gestartet. Der Aufbau des Portals ist klar: Die einzelnen Beiträge werden grossflächig angezeigt, man landet ohne visuelle Kinkerlitzchen gleich bei der Sache. Die Texte sind in grosser Schrift gut lesbar und mit bildschirmbreiten, aussagekräftigen Fotografien angereichert.

Das Projekt liesse sich als Familienunternehmen aus Graubünden bezeichnen. Initiiert wurde es vom Ehepaar Brigitte und Mathias Balzer, auch die nächste Generation, Katharina und Luis Balzer, ist im Leitungsteam. Dabei sind die Balzers durch langjährige Tätigkeit in der Theater- und Kunstszene der Deutschschweiz, mit einem eigenen Verlag (Edition Frida) und einem Kulturbüro breit vernetzt. Zum Startkapital hat ein Crowdfunding fast 90 000 Franken beigetragen. «Frida» ist in sechs Themenbereichen unterwegs, zu den klassischen Kultursparten Bildende Kunst, Literatur, Musik und Theater kommen als übergreifende Bereiche Gesellschaft und Natur dazu. Einige Artikel sind frei zugänglich, ein grösserer Teil nur via Abo.

Ein Mittagessen mit der Künstlerin Sophie Jung. Ein Interview mit der Politologin Regula Stämpfli. Eine Unterhaltung mit der Autorin Ariane Koch. Eine Empfehlung zur Blaskapelle Federspiel. Gespräche über indigenes Wissen für eine klimagerechte Zukunft. Persönliche Literaturtipps. Man liest oder sieht: viel O-Ton. Interviews, Porträts, Gespräche. Dazu Kolumnen. Das ist nicht uninteressant. So wird die audiovisuelle Arbeit «Gegenwelten» vorgestellt, in der reale Berührungspunkte zwischen Menschen, die sich sonst nicht begegnen, geschaffen werden sollen. Anlässlich eines Berichts über die «erste postmigrantische Late-Night-Show der Schweiz» werden Anekdoten über die unterschiedlichen Reaktionen in Basel und in Appenzell dargereicht.

Viele der Artikel stammen von den beiden Redaktor:innen Mathias Balzer und Helena Krauser. Musik, Natur und Architektur können auf informierte Texte von Köbi Gantenbein zählen. Die junge Journalistin Arzije Arsani ist für die Neue Schweiz, die «Einwanderungscommunity», zuständig. Eine Handvoll weiterer freier Mitarbeiter:innen liefert regelmässig Texte. Längere Beiträge zur Literatur sind ans Basler Podcastlab ausgelagert.

Keine bösen Worte

Was also ist «Frida»? Es ist ein Magazin, das Kulturproduzent:innen das Wort erteilt oder ihnen die Gelegenheit gibt, sich und ihre Kunst zu präsentieren. Es informiert und berichtet in subjektiver Auswahl, wobei auch unbekanntere Personen und Projekte vorgestellt werden. Das ist durchaus hilfreich, um im uferlosen Kulturangebot Orientierung zu finden.

Was ist es nicht? Ein Ort kritischer Auseinandersetzungen. Tiefergehende Analysen sind rar, böse Worte zu missglückter Kunst abwesend. «Fundierte Recherchen und spannender Hintergrund»? Fehlen weitgehend. «Der wichtigste Punkt bleibt die Awareness», ist die zentrale Aussage eines Befragten in einer Recherche zur Nachhaltigkeit an Schweizer Theatern. Zum «Essay» reicht es schon, wenn eine Ausstellung zu indischen Wandermönchen unter dem modischen Stichwort vom Konsumverzicht nacherzählt wird. Oder wenn bahnbrechende feministische Arbeiten mit der Aktion einer Influencerin verglichen werden.

In einer Kolumne zu den nicht verlängerten Intendanzen am Zürcher Schauspielhaus und am Theater Chur schreibt Koleiter Mathias Balzer: «Wer wirklich wissen will, was genau die Gründe für das Ende sind, muss darauf warten, ob nicht doch noch eine Journalistin oder ein Journalist hinter den Kulissen die Wahrheit erfährt. Uns ist es bisher nicht gelungen.» Schön, diese Ehrlichkeit. Leider wird damit eine Schwäche von «Frida» charakterisiert.

www.fridamagazin.ch