Feministischer Streik: «Die Vorfreude auf das violette Meer ist gross!»

Nr. 24 –

Impressionen vom 14. Juni, die kurz vor Redaktionsschluss von Journalist:innen aus der ganzen Schweiz bei uns eintrafen. Und die Fotograf:innen von Purple Eye drückten um 13.33 Uhr ab, als die Streikenden die Arme verschränkten. Für den Rest des Arbeitstags arbeiten Frauen hierzulande nämlich gratis.

Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Marion Bernet
Impressionen vom feministischen Streik: Zürich
Zürich. Foto: Saskja Rosset

«Mehrere Mitarbeiterinnen von ‹Le Courrier› sind heute zusammengekommen, um über unsere Forderungen zu sprechen. Und es tut gut, gemeinsam über feministische Themen und unseren Alltag als Journalistinnen zu sprechen. Wir haben festgehalten, dass unsere Mobilisierung von 2019 viel bewirkt hat. Wir sind aber auch der Meinung, dass wir wachsam bleiben müssen: Keine der feministischen Errungenschaften ist selbstverständlich.»

Sophie Dupont, Genf

«Auf dem Weg zu meiner Ärztin sehe ich im Tram eine junge Frau mit lila T-Shirt. Und ich traue mich, sie zu fragen, ob sie unterwegs sei zu etwas Feministischem. ‹Nein›, sagt sie. Sie müsse arbeiten. Das T-Shirt trage sie prophylaktisch, für später. In der Praxis angekommen, frage ich die Ärztin (sehr sympathisch), ob der Streik hier Thema sei. ‹Nein›, sagt sie, ‹überhaupt nicht›, und sie kriegt grad ein schlechtes Gewissen. Man hat anscheinend das Gefühl, der Streik sei nur für die, die selber unterdrückt werden. Die Ärztin sagt dagegen, hier werde niemand unterdrückt. Und die Assistentinnen sind auch fröhlich.»

Karin Hoffsten, Zürich

Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Yoshiko Kusano
Impressionen vom feministischen Streik: Zürich
Zürich. Foto: Clara Neugebauer

«Etwa hundert Personen machen bei dem von der Unia organisierten Streik gegen die schlechten Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften in Luxushotels mit. Die Stimmung ist sehr gut, wie ein Happening: Autos hupen, Bauarbeiter drücken die Daumen, Menschen bleiben am Strassenrand stehen und klatschen, während die streikenden Frauen lautstark mehr Respekt, Zeit und Lohn fordern.»

Cigdem Akyol, Zürich

«Beim Streik-Zmittag am Bürkliplatz: ‹Unsere Chef:innen kaufen sich ein zweites Ferienhaus, während wir uns jeden Tag abrackern›, sagt eine Vertreterin des Gastra-Kollektivs, in dem sich Mitarbeiter:innen der Gastronomie organisieren, in ihrer Rede. Die Stimmung ist kämpferisch, die Musik gut. What a beautiful day!»

Anna Jikhareva, Zürich

Impressionen vom feministischen Streik: Bellinzona
Bellinzona. Foto: Monika Flückiger
Impressionen vom feministischen Streik: Zürich
Zürich. Foto: Anja Wurm

«Brunch mit Frauen, dann Aarebad, während der Sohn für seine Schwester kocht. Schon am Morgen vereinzelt Frauen in Violett. Jetzt gegen Mittag mit der Tochter und ihrer Freundin unterwegs zum Bundesplatz – Fahnen und Zeitungen im Gepäck. Die Vorfreude auf das violette Meer auf dem Bundesplatz ist gross!»

Silvia Süess, Bern

«Im Café Kairo ist die Welt in Ordnung. Es gibt Rösti und Pommes frites und Egg Benedict, wir reden über subversives Heiraten und auch unsubversives. Und darüber, ob der Kinderwagenumzug möglicherweise mit einem Einspännerrennen vergleichbar sei. Alle, die losgehen, sagen: ‹Bis när!›»

Alice Galizia, Bern

Impressionen vom feministischen Streik: Basel
Basel. Foto: Eleni Kougionis
Impressionen vom feministischen Streik: Zürich
Zürich. Foto: Sabine Rock

«Ich stehe auf dem Theaterplatz. Gerade hat trans Frau Lana auf der Redebühne ein Märchen über Mädchen und Polizisten erzählt. Ich kenne Lana von früher und will ihr sagen: Ich hab dich noch nie so frei gesehen. Kurz danach macht La Nefera einen Soundcheck. Sie singt: ‹Me lo busco yo›. Ich hole es mir.»

Naomi Gregoris, Basel

«Ich habe eigentlich gerade mega viel zu tun, den Kopf voller Baustellen – und überhaupt keinen Bock auf Menschen. Aber jetzt, da ich an der feministischen Landsgemeinde in St. Gallen bin, tut es gut, all die Frauen und Freund:innen zu treffen, die sich hier für eine bessere Welt zusammengeschlossen haben. Besonders in einem Kanton, der Esther Friedli von der antifeministischen Partei schlechthin in den Ständerat wählt.»

Corinne Riedener, St. Gallen

«Die Zusammenkunft im Vögeligärtli in Luzern würde eher wie eine Art Picknick wirken. Wenn da nicht grosse und kleine Transparente in den Bäumen hingen: ‹Streikst du schon oder lebst du noch?› – und nicht Tücher und Buttons mit feministischen Parolen und erhobenen Fäusten verteilt würden. Ich bin müde und möchte gerne einfach nur schlafen. Was wäre denn, wenn wirklich alle Frauen und Mädchen streiken würden, fragte meine Tochter heute Morgen. Das wäre gross und explosiv, gab ich ihr zur Antwort. Sie stellt sich an diesem mittlerweile institutionalisierten feministischen Streiktag immer wieder aufs Neue: Was wäre wenn …? Dabei ist es gar nicht so viel, was viele wollen: gleichberechtigt und angstfrei leben.»

Anja Schulthess, Luzern

Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Johanna Bossart
Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Annette Boutellier
Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Danielle Liniger
Impressionen vom feministischen Streik: Zürich
Zürich. Foto: Marion Nitsch
Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Jana Leu
Impressionen vom feministischen Streik: Basel
Basel. Foto: Maria Patzschke
Impressionen vom feministischen Streik: Bern
Bern. Foto: Carmela Odoni