Von oben herab: Beton

Nr. 25 –

Stefan Gärtner über kaputte Rasenmäher und Putschversuche

Man soll im Sinne des Ressourcenschutzes die Dinge ja so lange nutzen, wie es irgend geht, und bei so etwas Prosaischem wie einem Rasenmäher fällt mir das auch nicht schwer. Die Familie, die vor uns hier gewohnt hat, hatte einen im Keller stehen lassen, und also war ich, in die Wohnung mit Garten gezogen, wieder zwölf und mähte Rasen wie seit Kindertagen nicht mehr.

Neulich fuhr ich beim Mähen über ein Stück Holz, und der Mäher machte «Cronch!» und klang jetzt wie ein Panzer mit kaputtem Auspuff. Der Blick auf den Unterboden sah ein faustgrosses Loch in der Plastikverkleidung, und wo man denken würde, dass eine kaputte Plastikverkleidung ja nun kein Grund ist, einen Rasenmäher zum Wertstoffhof zu bringen, sagte meine Frau, dass doch. Meine Frau ist bei uns die, die alles repariert und auch reparieren kann, und wenn sie sagt, etwas geht nicht, dann geht es nicht. Zwar glaubte ich ihr das, überlegte aber gleichzeitig, wie das wohl in einer Wirtschaft wäre, die nicht darauf beruht, dass man einfach in den Baumarkt fährt und zum Preis einer guten Hose einen Rasenmäher kauft.

In der DDR, wo das garantiert nicht ging, hätte ich als Rasenbesitzer mit dem Panzer weitermähen müssen, und dann hätte ich Krach mit der strengen Volkspolizei bekommen, und stimmt es, was das Westfernsehen über den Erzfeind zu berichten hat, hätte ich zur Polizei nicht mal sagen können: «Aber einen neuen Mäher stellt mir die Mangelwirtschaft doch nicht zur Verfügung!» Das wäre staatsfeindliche Hetze gewesen und hätte im Knast geendet. Andererseits hatten sozialistische Rasenmäher vermutlich keine empfindlichen Unterböden aus Kunststoff, hätten sich also schweissen lassen, und so kommt dann immer eins zum andern.

Jedenfalls bin ich jetzt Besitzer eines Akkurasenmähers, und es ist mithin nicht so, dass sich Lebensträume nicht auch einmal erfüllen. Der alte Mäher war orthodox elektrisch und setzte mich, wie schon einst bei den Eltern, der Mühe aus, mit dem Kabel ins Benehmen zu kommen. Das Kabel, muss man wissen, liegt beim Mähen grundsätzlich im Weg, was vermutlich an der Chaostheorie liegt, und wer immer professionell mäht, tut das kabellos. Die Rütliwiese etwa wird gewiss mit einem Mähtraktor getrimmt, vielleicht sogar mit einem elektrischen, falls derlei nicht zu woke ist. Sie gehört nämlich, weil alles irgendwem gehören muss, nicht einfach dem Schweizervolk, sondern der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, die soeben dem «Putschversuch» (blick.ch) ihres Finanzverantwortlichen Jürg Kallay (SVP) entgangen ist.

«Der Streit um Kallay war in den vergangenen Wochen eskaliert. Ihm wurde vorgeworfen, mit eigenen Kandidaten dem Vorstand politisch einen Zug nach rechts geben zu wollen» (ebd.), denn zurzeit wird die SGG vom Liberalen Nicola Forster angeführt, einem «Start-up-Dude», wie die WOZ weiss, «dessen Amtszeit bisher überschattet wird von Unruhen und kleineren Skandalen». Der es aber vielleicht ganz okay fände, die Rütliwiese nichtfossil zu mähen, wobei eine Wiese in meiner Vorstellung etwas ist, was entweder gar nicht gemäht wird oder nur einmal im Jahr, mit einer Sense, vielleicht vom Milka-fresh-Grossätti («Is cool, man!»), der aber gewiss nicht mehr lebt.

Deutsche Kommunen müssen ja neuerdings die sogenannten Steingärten verbieten, also Vorgärten, die mit Kiesel und Beton schlicht versiegelt werden, was eine in jedem Verstand lebensfeindliche Untat ist. Aber es ist halt praktisch, und der Staat soll sich gefälligst unterstehen, in die wohlüberlegten Idiotien des Souveräns einzugreifen. Der weiss nämlich selbst am besten, was guet für uns isch! In diesem Sinne und um Steuergeld zu sparen, sollte man die Rütliwiese schleunigst zubetonieren; nicht dass nach der linken Revolution SVP-Hansel dazu abgestellt werden, sie mit dem Kabelmäher zu pflegen.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

Sein Buch «Terrorsprache» ist im WOZ-Shop erhältlich unter www.woz.ch/shop.