Russisches Öl: Expansion nach Dubai

Nr. 32 –

Schweizer Rohstoffkonzerne waren lange die wichtigsten Händler russischen Öls. Das soll sich mittlerweile geändert haben. Vieles bleibt aber im Dunkeln, weil es in der Schweiz an Transparenz mangelt und ein griffiges Embargogesetz fehlt.

Vom Lac Léman an den Persischen Golf: Im vergangenen Jahr wurden in Dubai zahlreiche neue Rohstofffirmen gegründet.
Vom Lac Léman an den Persischen Golf: Im vergangenen Jahr wurden in Dubai zahlreiche neue Rohstofffirmen gegründet. Foto: Imago

Sie heissen Paramount, Amur oder Tejarinaft und haben ihren Sitz in Dubai. Es sind kleine Unternehmen, nur wenige Jahre alt, doch sie sind seit der russischen Invasion in der Ukraine und den darauffolgenden Sanktionen gegen Russland zu grossen globalen Händlern von russischem Öl aufgestiegen. Weil sie zumindest offiziell von den Vereinigten Arabischen Emiraten aus mit Russland handeln, müssen sie sich nicht an die von westlichen Staaten verhängten Sanktionen halten. Sie sind noch wesentlich wichtiger für Russland geworden, seit der Weltmarktpreis für Rohöl im Juli markant angestiegen ist. Dank ihnen erhält das Regime von Wladimir Putin mehr als die sechzig US-Dollar pro Fass, die die G7-Staaten als Maximalpreis für russisches Öl festgelegt hatten. Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten müssen sich nicht an diese Obergrenze halten.

Undurchsichtige Vehikel

Die Pop-up-Ölhändler aus Dubai haben die Schweizer Konzerne als wichtigste Player im Handel mit russischem Öl abgelöst. Allerdings nur auf den ersten Blick. Einige der grossen Schweizer Rohstoffkonzerne sind in reduziertem Umfang nach wie vor aktiv in diesem Geschäft, wie kürzlich die «Financial Times» berichtete, so etwa Vitol und Gunvor. Andere haben den Handel mit russischem Öl ganz offiziell nach Dubai verlegt, zum Beispiel Litasco, das dem russischen Konzern Lukoil gehört. Richtig klar ist die Trennung zwischen den arrivierten Schweizern und den Newcomern nicht.

So hat etwa Amur in Dubai Beziehungen zur Amur-Gruppe in Genf, die vor zwei Jahren vom Branchenriesen Vitol gegründet wurde. Das Genfer Unternehmen machte vergangenes Jahr einen Umsatz von über 500 Milliarden US-Dollar sowie einen Gewinn von über 15 Milliarden Dollar.

Die Amur-Gruppe – und damit auch Vitol – hatte sich noch vor der russischen Invasion einen fünfprozentigen Anteil am gigantischen arktischen Ölförderprojekt Vostok des russischen Staatskonzerns Rosneft gekauft. Auch Trafigura, ein anderer grosser Schweizer Rohstoffkonzern, hatte sich einen Anteil von zehn Prozent an Vostok gesichert und dafür sieben Milliarden US-Dollar bezahlt. Zu einem Zeitpunkt, als das auch für Schweizer Unternehmen noch völlig legal war. Vostok soll dereinst bis zu zwei Millionen Fass Erdöl pro Tag liefern.

Erst nach dem Erlass der entsprechenden Sanktionen des Westens gegen Russland trennten sich Trafigura und Vitol von ihren Vostok-Anteilen. Vitol behauptet, es habe den Handel mit russischem Öl seither um neunzig Prozent zurückgefahren. Gemäss eigenen Angaben hat der Konzern die Amur-Gruppe, über die ein Grossteil dieses Ölhandels lief, Ende 2022 an eine in Dubai ansässige Firma mit dem Namen Fossil Trading verkauft. Schon zuvor waren in Dubai im August und September die Firmen Amur Trading und Amur Investments gegründet worden. Anfang 2023, also nur wenige Monate später, gehörten die beiden Firmen laut Zahlen der «Financial Times» bereits zu den zehn grössten Händlern mit russischen Erdölprodukten. Ebenfalls zu den grossen Händlern gehört gemäss der Zeitung inzwischen Tejarinaft aus Dubai.

Alle diese genannten Unternehmen werden allerdings von ein und derselben Person geleitet, dem Marokkaner Hicham Fizazi. Die «Financial Times» zitiert Konkurrenzunternehmen, die sagen, die Unternehmen seien Teil eines Netzwerks des russischen Staatskonzerns Rosneft, um sein Öl weiterhin ungehindert exportieren zu können.

Besitzverhältnisse unklar

Rosneft hatte in Genf schon in den Jahren vor der russischen Invasion in der Ukraine ein eigentliches Netz von Firmen aufgebaut, die es entweder direkt kontrollierte oder mit denen es eng verbunden war, wie die NGO Public Eye recherchierte. Dieses Netzwerk ist offensichtlich weiterhin vorhanden, hat sich nun aber auf Dubai ausgedehnt.

Wer aber steckt letztlich hinter Amur und Fossil Trading? Der Verwaltungsratspräsident der Amur-Gruppe in der Schweiz sagt am Telefon, dass er nichts zu sagen habe, und verweist auf Fossil Trading in Dubai. Diese hat auf eine Anfrage der WOZ bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Insbesondere wollte die WOZ auch wissen, was die Ölhandelsfirma Energopole mit Sitz in Genf heute macht, die nach eigenen Angaben ebenfalls Fossil Trading gehört. Klar ist: Energopole gehörte noch 2020 Rosneft.

Vieles bleibt im Dunkeln: Das liegt nicht zuletzt an völlig unzureichenden Transparenzbestimmungen für Unternehmen in der Schweiz wie auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Insbesondere fehlt ein Register, in dem aufgelistet ist, wem welches Unternehmen gehört. Daher können Eigentumsbeziehungen verschleiert werden. Wie schädlich das ist, zeigt sich exemplarisch anhand der russischen Ölexporte.

Es wäre nicht nur von öffentlichem Interesse, zu wissen, wer am Ölhandel mit Russland direkt verdient. Ein solches Register bräuchte es auch, um herauszufinden, ob allenfalls Sanktionsbestimmungen umgangen werden. Ohne bleibt in vielen Fällen unklar, in welchen Beziehungen und Abhängigkeiten Schweizer Unternehmen, die sich an die Sanktionen halten müssen, zu Unternehmen in Dubai oder Hongkong stehen.

Mangelhafte Kontrollen

Grundsätzlich greift das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht ein, wenn Firmen in Dubai, die mit Schweizer Rohstoffhändlern verbunden sind, die Sanktionsbestimmungen umgehen und etwa russisches Öl über der Preisobergrenze von sechzig Dollar handeln. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist im Schweizer Embargogesetz das Territorialprinzip vorgesehen: Das für die Einhaltung der Sanktionsbestimmungen zuständige Seco interessiert nur, was in der Schweiz passiert.

Doch was ist, wenn eine Firma in Genf Öldeals mit Russland aushandelt und diese dann formell durch eine mit ihr verbundene Firma in Dubai abschliessen lässt? Schliesslich erfordert der Handel mit grossen Mengen an Ölprodukten viel Erfahrung, die bei kleinen Pop-up-Unternehmen kaum vorhanden sein dürfte. Seco-Sprecher Fabian Maienfisch schreibt dazu, es werde «jeweils im Einzelfall beurteilt, inwieweit im Ausland begangene Handlungen unter die schweizerische Gerichtsbarkeit und damit unter die Sanktionsbestimmungen der Schweiz fallen». Mögliche Anknüpfungspunkte bestünden, «wenn durch die Sanktionen verbotene Zahlungen oder Anweisungen von der Schweiz aus getätigt werden».

Doch wie kontrolliert das das Seco? Die Auskunft dazu ist vage: «Das Seco nutzt konsequent die Instrumente des Embargogesetzes, wie beispielsweise die Auskunftspflicht oder die Möglichkeiten der nationalen und internationalen Rechtshilfe», sagt Maienfisch. Im Klartext: Die Unternehmen müssen wohl wenig befürchten.

Bewusst schwaches Gesetz

Die Problematik des Territorialprinzips bei Sanktionen ist schon länger bekannt. Der Bundesrat wollte denn auch 2010 das Embargogesetz verschärfen und das Territorialprinzip aufheben. Die SVP sowie die grossen Unternehmensverbände lehnten das Ansinnen jedoch in der Vernehmlassung ab, worauf der Bundesrat auf die gesamte Gesetzesänderung verzichtete. Möglicherweise kommt das Anliegen bald wieder aufs Tapet: Vor kurzem hat die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats beantragt, der Bundesrat solle einen Bericht zu den Sanktionen im Rohstoffsektor verfassen und darlegen, wo es Mängel gebe.

Wird die Schweiz ihr Geschäftsmodell angesichts der moralisch fragwürdigen Deals mit Russland anpassen? Wohl erst, wenn der Druck aus dem Ausland gross genug ist. In der Frage der eingefrorenen russischen Guthaben in der Schweiz forderten die Botschafter der G7-Staaten in einem gemeinsamen Brief den Bundesrat auf, mehr Gelder zu beschlagnahmen und bei einer internationalen Taskforce zur Aufspürung russischer Vermögenswerte mitzumachen. Der Rohstoffsektor hingegen scheint bis jetzt relativ immun zu sein.

Aus Kreisen der grossen Rohstoffhändler wie auch des Seco ist zu hören, dass es vorab den USA primär darum gehe, weiterhin die globale Versorgung mit Erdöl sicherzustellen. Nichts fürchten die westlichen Staaten mehr als einen Preisschub bei Ölprodukten. Das dürfte auch der Hauptgrund für ein kürzliches Treffen des US-Finanzministeriums mit der Vereinigung der Rohstoffunternehmen in der Schweiz gewesen sein. Die Abhängigkeit von Erdöl ist nach wie vor gigantisch – zur Freude von Putins Regime.