Im Affekt: Sexy wie Diet Coke

Nr. 35 –

Die goldene Ära der Supermodels läuft gerade durch die Retromaschine. Zu sehen ist das etwa auf dem Cover der Septemberausgabe – der wichtigsten des Jahres – der britischen und der US-amerikanischen «Vogue»: Linda Evangelista, Cindy Crawford, Christy Turlington und Naomi Campbell, Ikonen der Neunziger. Titelzeile: «The Greatest of All Time». Die Zeitschrift zitiert damit ein eigenes Cover von 1990, das ebendiese Models zeigte, dazu die kürzlich verstorbene Tatjana Patitz. In «The Super Models», einem Dokumentarfilm, der auf Apple TV läuft, sollen die vier auch von düsteren Erfahrungen im Modebusiness erzählen.

Aber den weitaus coolsten Umgang mit einstigen Abgründen pflegt gerade ein anderes Supermodel: Kate Moss. Die Britin entwirft als «creative director» jetzt Kampagnen für Diet Coke (in der Schweiz bekannt als Cola Light, leider unterschätzt und fast komplett verdrängt von Coke Zero). Natürlich auch hier: total retro. Ein Spot zitiert zum Beispiel den legendären «Diet Coke Break»-Spot von 1995, in dem eine Gruppe von Frauen aus einem Büro einen heissen Bauarbeiter anschmachtet, der in softpornografischer Manier sein Shirt auszieht, bevor er die Dose ansetzt.

Doch die Pointe der Kampagne ist so unverblümt, dass man sie glatt übersehen könnte: Da ist nun also das Gesicht von Kate Moss abgebildet auf diesen silbernen Dosen und Flaschenetiketten, darüber der Name des Getränks – war da nicht was? «Coke diet» nannte man damals eine Strategie, statt mit kalorienfreien Getränken mit ausgiebigem Drogenkonsum – für den war Moss bekannt – dünn zu bleiben. Bleich, mager, dunkle Augenringe – «heroin chic» wurde diese Inszenierung von Moss und anderen auch genannt. Um Zweifel auszuräumen, das könnte alles Zufall sein, liess das Model bei der Vorstellung der Kampagne wissen: «I’ve always loved coke.»

Ein bisschen zynisch? Wer darf das schon, wenn nicht Werbung.

Coca-Cola war anfänglich ja tatsächlich mit kleinen Mengen Kokain versehen – mehr retro geht gar nicht.