Kost & Logis: Essbare Weltreisen

Nr. 42 –

Karin Hoffsten über Düfte und Geschmäcker als Gedächtnisstütze

Ich gehöre zur glücklichen Generation, die im Glauben aufwuchs, der Frieden dauere von jetzt an ewig. Jedenfalls für diejenigen, die vorsichtshalber nie einen Blick über Mitteleuropa hinaus warfen. Und nie fliehen mussten.

Als ich aus Deutschland in die Schweiz einwanderte, musste ich mich bei der Fremdenpolizei melden und war dementsprechend beunruhigt. Bis die zuständige Beamtin sagte: «Ach, Fräulein Hoffsten» – so hiess das damals noch – «mit Ausländern wie Ihnen haben wir doch kein Problem!» Das diente zwar meiner persönlichen Entspannung, machte mir aber zugleich klar, wie die Grundstimmung im Land war. Und sie ist nicht besser geworden.

Weil es schön ist, von geflüchteten Menschen mehr zu erfahren als nur Zahlen, Fluchtgründe und Herkunftsländer, freue ich mich gerade über ein Kochbuch, das schon 2021 entstand, mir aber erst jetzt zufällig in die Hände geriet: «Geschichten mit Geschmack» enthält dreissig vegetarische Rezepte aus acht verschiedenen Ländern, die zwei Studentinnen der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern vor zwei Jahren bei Menschen mit Fluchterfahrungen gesammelt haben. Neben ihren Rezepten mit klingenden Namen wie Banyan Bourani, Hamli, Alicha oder Malawah erzählten sie, warum sie fliehen mussten und wie es ihnen heute in der Schweiz geht.

Inzwischen gibt es einige Kochbücher, die zeigen, was geflüchtete Menschen kochen, um sich einen Rest Heimat zu bewahren. Denn bei uns allen wecken ja nur wenige Dinge so lebhafte Erinnerungen wie Gerüche und Geschmäcker. Meine Kindheit war von einigen Gerichten geprägt, die ich bis heute liebe, aber niemals koche, weil sie sich fast alle am Kalorienbedarf saarländischer Bergleute orientieren und für Menschen in «normalem» Bewegungsmodus zu unaufhaltsamer Gewichtszunahme führen: zum Beispiel «Hoorische» (längliche Klösse aus halb rohen und halb gekochten geriebenen Kartoffeln) oder «Geheiradede» (Mehlklösse und geviertelte Salzkartoffeln) – beides reichlich übergossen mit Speckrahmsauce.

Durch Crowdfunding finanziert, erschien 2015 im Rotpunktverlag das Kochbuch «Heimat im Kochtopf», über das damals eine Rezensentin im «Tages-Anzeiger» schrieb: «Es führt dem Betty-Bossi-Land Schweiz vor, was ausser Kartoffelgratin und frischem Zopf noch alles auf den Tisch kommen könnte: Schafskopf aus dem Ofen zum Beispiel.»

Die «Geschichten mit Geschmack» hingegen – und das ist das Besondere – enthalten ausschliesslich vegetarische Rezepte. Und weil diese innerhalb eines Studienprojekts gesammelt wurden, erschien lediglich eine Miniauflage von 175 Exemplaren – ebenfalls finanziert durch Crowdfunding und unterstützt vom Verein Solinetz.

Und weil von dieser Miniauflage 172 Bücher verkauft werden konnten, verlosen wir die drei letzten Exemplare unter khoffsten@woz.ch an drei glückliche Leser:innen. De Schneller isch de Gschwinder.

Karin Hoffsten gesteht, dass sie grundsätzlich lieber isst als kocht, was sich nicht immer als praktisch erweist.