Theater: Orange Verwandlungen

Nr. 48 –

Bühnenfoto des Theaterstück «Liebes Arschloch»
«Liebes Arschloch». Inszenierung: Yana Ross. In: Zürich Schauspielhaus, Aufführungen bis Ende Dezember, Spieldaten siehe www.schauspielhaus.ch.

«Du hast dich aufgeführt wie ein ganz gewöhnliches Arschloch. Einer, der Macht ausübt und behauptet, es herrsche Gleichheit.» Mit diesen Worten zieht Rebecca Latté den Schriftsteller Oscar Jayack aus einer phallusartigen, fluffig-flauschigen orangen Röhre, in die er sich verkrochen hat. Fertig mit Verstecken: Der Autor, der von seiner früheren Pressereferentin Zoé Katana öffentlich beschuldigt wird, sie sexuell belästigt zu haben, soll sich seine0n Taten stellen. Dazu bringt ihn seine neu gefundene Freundin Rebecca, einst ein grosser Filmstar, heute, mit fünfzig, wohl bald am Ende ihrer Karriere.

«Liebes Arschloch» von Virginie Despentes, im Frühling auf Deutsch erschienen, war der #MeToo-Roman der Stunde, nun hat ihn das Zürcher Schauspielhaus auf die Bühne gebracht. Als Erstes fällt die Farbe auf. Alles ist orange: der Flügel, die Kleider der Musikerin Magda Drozd als Zoé, die mit ihrer Geige wundersame Klänge erschafft, sowie die Kostüme von Rebecca (Karin Pfammatter) und Oscar (Matthias Neukirch). Es sind eigene Kunstwerke, was der Kostümbildner Zane Pihlstrom entworfen hat: Harnische aus Plastik engen die Oberkörper der beiden ein, Neukirch trägt eine riesige Pluderhose, an der ein klitzekleiner Plastikpenis hängt. Mit dem flauschigen Riesenphallus auf seinen Schultern erinnert Oscar nicht zufällig an eine Raupe: Im Laufe des Stücks wird er (und auch Rebecca) sich verwandeln. Und mit jeder orangen Kleiderschicht, die sie ausziehen, werden sie verletzlicher und ehrlicher.

Die Inszenierung von Yana Ross bleibt nah an der Romanvorlage. Die E-Mails zwischen Rebecca und Oscar bilden die Grundlage für Gespräche, Geständnisse und Auseinandersetzungen der beiden. Dabei fokussiert die Theaterfassung nicht nur auf die Missbrauchsgeschichte, sondern auch darauf, wie die beiden suchtkranken Freund:innen clean werden.

«Liebes Arschloch» ist aber vor allem ein Schaulaufen der grossartigen Karin Pfammatter: Wie sie tanzt und rennt, schreit und schimpft, Purzelbäume schlägt und auf den Flügel klettert, ist schlicht umwerfend.