Arbeitskampf in Skandinavien: Grenz­übergreifend gegen Elon Musk

Nr. 50 –

Seit Wochen schon streiken Arbeiter:innen in Schweden für einen Tarifvertrag bei Tesla. Immer mehr Gewerkschaften schliessen sich der Protestaktion an, auch in anderen Ländern.

Wer in Schweden ein neues Elektroauto von Tesla bestellt hat, muss warten. Wie lange, das entscheidet Elon Musk. Der CEO von Tesla, einer der reichsten Männer der Welt, weigert sich, für seine Angestellten in Schweden einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen. Ende Oktober hat die Metallarbeitergewerkschaft IF Metall deswegen einen Streik ausgerufen, der immer noch andauert.

Man kann IF Metall nicht vorwerfen, zu wenig Geduld mit Tesla gehabt zu haben. 2017, als Tesla seine ersten Werkstätten in Schweden eröffnete, gab es bereits Forderungen nach Tarifverträgen. Sechs Jahre lang bewegte sich fast nichts, worauf die Gewerkschaft den Druck erhöhte. Am 17. Oktober kündigte sie einen Streik an, um «sicherzustellen, dass die Angestellten bei Tesla wie alle anderen auf dem schwedischen Arbeitsmarkt gute und sichere Arbeitsbedingungen haben». Am 27. Oktober legten daraufhin 130 Angestellte in Teslas sieben schwedischen Servicewerkstätten die Arbeit nieder.

Tesla reagiert mit Klagen

Die schwedische Tesla-Tochter TM Sweden zeigte sich in einer ersten Reaktion gesprächsbereit, brach aber am 6. November die Verhandlungen ab. Laut IF Metall begründete das Unternehmen dies mit der grundsätzlichen Politik des Konzerns: «Tarifverträge sind nicht Teil unseres Geschäftsmodells», hiess es damals. Das löste eine Welle von Solidaritätsaktionen anderer Gewerkschaften aus. Seit dem 17. November bestreikt die Hafenarbeitergewerkschaft in allen schwedischen Häfen die Entladung von Tesla-Autos. Am gleichen Tag trat eine Blockade der Elektrikergewerkschaft in Kraft. Sie unterband jeglichen Service in den Werkstätten und an den 213 Ladestationen von Tesla. «Wenn etwas kaputtgeht, wird es nicht repariert», heisst es auf der Website der Gewerkschaft. Die Bauarbeitergewerkschaft und die der Angestellten in der Immobilienbranche schlossen sich an. Rund 500 Mechaniker:innen in Hunderten schwedischen Autowerkstätten lehnen jetzt Service- und Reparaturarbeiten an Tesla-Modellen ab. In 108 Autolackierbetrieben wird nicht mehr an ihnen gearbeitet. Seit dem 24. November wird zudem ein schwedisches Unternehmen bestreikt, das Bauteile für Teslas deutsche Autofabrik in Brandenburg produziert.

Tesla-Chef Elon Musk äusserte sich erst einen knappen Monat nach Streikbeginn öffentlich. «Das ist verrückt», schrieb er auf seiner Plattform X. Offenbar war man sich bei Tesla nicht im Klaren darüber gewesen, dass man in Schweden einen Streik durch Solidaritätsaktionen unterstützen darf, was in den USA verboten ist. Seit dem 21. November solidarisieren sich nämlich auch die Gewerkschaft der Staatsangestellten (ST) und die Dienstleistungsgewerkschaft Seko mit den Tesla-Arbeiter:innen. Die Beschäftigten der staatlichen Post Postnord befördern keine Briefe und Pakete mehr für Tesla. Damit bleiben auch die Nummernschilder liegen, die die staatliche Verkehrsbehörde Trafikverket jedem neu registrierten Fahrzeug zuteilt. Diese Kennzeichen erhalten in Schweden nur die Autohändler:innen direkt, und aus Sicherheitsgründen darf sie nur Postnord transportieren. Die Folge: Kein einziger Tesla-Neuwagen kann mehr zugelassen werden.

Die Anwält:innen von TM Sweden reagierten mit zwei Klagen. Die eine richtet sich gegen Trafikverket mit dem Antrag, Tesla solle erlaubt werden, die Kennzeichen selbst abholen zu können; die andere gegen Postnord wegen der Transportblockade. Teslas Antrag auf ein Eilverfahren wurde abgelehnt. Das Unternehmen müsse den Ausgang des normalen Gerichtsverfahrens abwarten, entschied ein Gericht in Stockholm vor einer Woche. Das könnte dauern. Postnord hat bereits mitgeteilt: Auch wenn das Gericht Teslas Klage stattgeben sollte, habe der Zulieferdienst keine Befugnis, seine Beschäftigten zum Transport von Tesla-Post zu zwingen. Denn der Streik sei verfassungsrechtlich geschützt. «Tesla kapiert nicht, wie das in Schweden läuft», sagt ST-Verhandlungschefin Åsa Erba Stenhammar: «Gerichte werden ihnen nicht helfen; sie müssen mit uns verhandeln.»

Musk droht mit Vergeltung

Für Schwedens Gewerkschaften geht es um mehr als um einen Tarifvertrag für 130 Werkstattangestellte. Es ist ein Kampf für das schwedische Arbeitsmarktmodell. Seit 85 Jahren werden nicht nur die Löhne, sondern alle Arbeitsmarktbeziehungen über Gesamtarbeitsverträge mit den Unternehmerverbänden ausgehandelt. Der Staat mischt sich so gut wie nicht ein. Der Organisationsgrad ist sowohl aufseiten der Unternehmen wie auch bei den Lohnabhängigen hoch. Rund 87 Prozent von ihnen arbeiten für Unternehmen, die in diesen Branchenverbänden organisiert sind. Sieben von zehn Beschäftigten sind Gewerkschaftsmitglieder. 90 Prozent des schwedischen Arbeitsmarkts unterliegen Gesamtarbeitsverträgen.

Allerdings sinkt der Organisationsgrad unter den Lohnabhängigen; entsprechend wächst die Gefahr einer Aushöhlung ihrer Rechte. Gerade der Konflikt mit gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen aus den USA, die sich dem schwedischen Modell nicht anpassen wollen, hat für die Gewerkschaften deshalb einen hohen Stellenwert.

Anders Kjellberg, Soziologieprofessor an der Universität Lund, erinnert an den Streik, den die schwedische Handelsgewerkschaft 1995 gegen den US-Spielzeugkonzern Toys «R» Us geführt hat. Nach drei Monaten knickte die Firma vor allem aufgrund der Sympathieaktionen anderer Gewerkschaften ein – so wurde etwa kein Kehricht mehr abgeholt; auch Banküberweisungen wurden verhindert. Konzerne wie IBM oder Microsoft hätten daraufhin ohne Widerstand Tarifverträge abgeschlossen, und auch Amazon bediene sich in Schweden eines Subunternehmens mit einem Tarifvertrag, sagt Kjellberg. «Wenn Gewerkschaften in Bezug auf Tesla einen Durchbruch erzielen können, dann in Schweden dank des hohen Organisationsgrads, der hohen Tarifbindung und des umfassenden Streikrechts.»

Laut Industriall, einer in Genf ansässigen Gewerkschaftsföderation, die über 50 Millionen Industrieangestellte in 140 Ländern repräsentiert, hat Tesla für seine weltweit rund 120 000 Mitarbeiter:innen noch nirgends Tarifverträge abgeschlossen. Musk habe «öffentlich mit Vergeltungsmassnahmen gedroht», falls man Gewerkschaften gründen wolle, sagt Atle Høie, Generalsekretär von Industriall. «So ein Geschäftsmodell darf keinen Platz haben. Und Schweden ist der beste Platz, um es zu besiegen.»

Welle der Solidarität

Der Machtkampf zwischen den schwedischen Gewerkschaften und dem US-Autobauer Tesla greift nun auf weitere Staaten über. So kam vergangene Woche Unterstützung aus den Nachbarländern. «Tesla ist ein Gewerkschaftsfeind, der versucht, in Europa amerikanische Verhältnisse zu schaffen. Damit sollen sie nicht durchkommen», sagt Jørn Eggum, Vorsitzender des Fellesforbundet, Norwegens grösster Gewerkschaft für Privatangestellte. Sie hat auf den 20. Dezember einen Sympathiestreik angekündigt für den Fall, dass bis dahin in Schweden keine Einigung zustande kommt. Der Streik würde sich gegen die Einfuhr der 1500 bis 2000 Neufahrzeuge richten, die Tesla derzeit monatlich in Norwegen verkauft.

Den Boykott schwedischer Hafenarbeiter:innen konnte Tesla unterlaufen, indem es die Neuwagen nicht mehr über schwedische Häfen importierte, sondern über norwegische. Fellesforbundet will dieses Schlupfloch mit einem Streik gegen solche Transporte und die Entladung in den Häfen stopfen. Die dänische Verkehrsgewerkschaft 3F-Transport hat ihrerseits angekündigt, sich dem Boykott zeitgleich anzuschliessen. Und vor einer Woche zog die finnische Transportarbeiter:innengewerkschaft AKT nach. Somit wird ab Weihnachten über skandinavische Häfen kein Tesla mehr nach Schweden gelangen.