Comedy: Wer hat Stefan Büsser gecancelt?

Nr. 6 –

Der «Comedymann» Stefan Büsser inszeniert sich gerne als Opfer feministischer Anfeindungen. Das Schweizer Fernsehen erfüllt ihm jetzt den Traum einer eigenen Late-Night-Show.

Portraitfoto von Stefan Büsser
Schlechte Witze sind auch ein Konzept: Stefan Büsser. Foto: Daniel Amman, SRF

Wann immer Comedians ein Mikrofon vor die Nase gehalten wird, darf eine Frage nicht fehlen: «Was darf man heute überhaupt noch sagen?» Ob Ricky Gervais, John Cleese oder Dieter Nuhr – sie alle wissen vor der bösen Cancel Culture zu warnen, die ihnen an den Kragen will und es ihnen verunmöglicht, witzig zu sein. (Böse Zungen würden sagen: eine willkommene Ausrede für Kreativblockaden.) Dass keiner von ihnen je gecancelt wurde und einer wie Dave Chappelle mit seinen transfeindlichen Witzchen sogar ein Netflix-Special nach dem anderen spendiert bekommt, scheint dabei irrelevant.

Auch in der Schweiz haben diese Komiker einen Verbündeten: «Man darf keine Fehler mehr machen, du darfst nichts mehr sagen, ohne dass der ganze Mob mit der Fackel loszieht», mahnt Stefan Büsser in seinem Podcast «Comedymänner». Mit seinen Witzen stand Büsser immer mal wieder in der Kritik – aber noch hat ihn der «Mob» nicht erwischt. Und nicht nur das: Jetzt darf Büsser so richtig durchstarten.

Am 11. Februar lanciert er «Late Night Switzerland», seine neue – der Titel sagts – Late-Night-Show im Schweizer Fernsehen (SRF). Im Wechsel mit Gabriel Vetter übernimmt Büsser damit den prestigeträchtigen Sendeplatz, den Dominic Deville im Mai 2023 nach sieben Jahren räumte und für den SRF – wir erinnern uns – nur Männer in Erwägung zog. Dreimal pro Monat zeigt das Fernsehen nun «Late Night Switzerland», jeweils einen Sonntag muss Büsser Gabriel Vetter mit der «Sendung des Monats» überlassen.

Auf eigene Faust

Für Büsser dürfte damit ein Traum in Erfüllung gehen. Schliesslich hatte er sich schon vor drei Jahren an einer Late-Night-Show versucht, damals noch auf eigene Faust. In «Büssers Bar» stellte er sich als Moderator hinter den Tresen und mixte Getränke für seine Gäste, die er mit müden Witzen und Youtube-Videos unterhielt. Drei Folgen gabs, dann war Schluss. Nun darf er es noch einmal versuchen, diesmal mit mehr Geld und professioneller Produktion. Mit dabei sind Michael Schweizer als Sidekick und Aron Herz als Headwriter, Büssers Mitstreiter aus seinem Podcast. Auch wenn sich das Konzept mit einer Showband namens The Beatz und männlichem Sidekick wie der Abklatsch jeder erdenklichen Nuller-Jahre-Late-Night-Show liest: Büsser ist damit auf dem Gipfel der schweizerdeutschen Comedy angelangt.

Mit «Late Night Switzerland» kehrt er auch an den Ort seiner grössten Erfolge zurück. 2016 wechselte Büsser, der bei Ringier seine Lehre gemacht hatte, von Radio Energy zum Leutschenbach. Dort moderierte er die SRF-3-Show «Büsser am Mittag» und stiess 2019 zum «Donnschtig-Jass». Eine grosse Fangemeinde eroberte er sich aber mit seinem Podcast «Quotenmänner» und mit seinen Videos zu «Der Bachelor» und «Die Bachelorette», in denen er sich über die Kuppelshow von 3+ lustig machte und erstmals sein Flair für das Vorführen anderer Menschen zeigte.

2021 verliess er SRF, nicht ganz ohne Misstöne. Der Sender verbot ihm nämlich, den Namen seines erfolgreichen Podcasts weiter zu benutzen. Aus den «Quotenmännern» wurden «Comedymänner», das Konzept blieb gleich: Der Podcast ist ein Stammtischtalk, in dem Büsser zusammen mit Aron Herz und Michael Schweizer viele schlechte Witze über Frauen und Minderheiten zum Besten gibt. Zu einem Prozess gegen eine Mutter, die nach Tschechien geflüchtet war und ihren Sohn dort in einem Bordell unterrichtete, fragen sie sich etwa: «Welche Fächer haben sie … durchgenommen?» Darauf folgt der eigentliche Witz, von Aron Herz: «So ein Bordell, das gibt interessante Satzaufgaben: Am Morgen bringen zwei Zuhälter fünf verschleppte Frauen, am Nachmittag flüchten drei wieder. Am Abend kommen neun Freier. Die Frage: Wer hat HIV?»

Gefühlt nie genug

Mit Büsser ist auch der kritisierte Podcast zurück bei SRF. «Wenn drei Männer einen Podcast haben, drehen drei Frauen durch», scherzt Büsser darin. Die Kritik ist offensichtlich einkalkuliert – doch wenn sie dann kommt, vergeht Büsser das Lachen. Etwa wegen des Instagram-Accounts @uncover_comedymaenner, der in den letzten Monaten eine Auswahl der geschmacklosesten Altherrenwitze der «Comedymänner» über Sexarbeiterinnen, Pronomen und Vergewaltigungen teilte.

Im Gespräch mit «Watson» wirft Büsser dem Account vor, dass dieser ein verzerrtes Bild des Podcasts vermitteln wolle und dass der Kontext unverzichtbar sei. Dass die Betreiber:innen transparent Episodentitel und Timecode zu den geposteten Beiträgen offenlegen, blendet er aus. Und was es an Kontext braucht, damit Pointen über verschleppte Frauen im Bordell oder über K.-o.-Tropfen und Vergewaltigung witzig werden, bleibt uns der Comedian auch schuldig.

Dabei inszeniert sich Büsser – wir halten fest: einer der reichweitenstärksten Comedians der Schweiz – regelmässig als Opfer einer Debatte, die «teils sehr extrem geführt» werde, wie er im Gespräch mit «Ellexx» beklagt. Die Anfeindungen von Feministinnen hätten ihm nämlich kurzzeitig die Freude an seinem Podcast genommen: «Ich bin komplett auf der Seite der Gleichstellung, und trotzdem ist es gefühlt nie genug.» Neben seinem von drei Männern gehosteten Podcast gibts jetzt also noch eine von zwei Männern gehostete Late-Night-Show. Gelebte Diversität – und doch ist es gefühlt nie genug.

Olivier Samter ist Illustrator in Zürich und arbeitete unter anderem als Gagschreiber für «Deville Late Night».

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Kommentare

Kommentar von casaper

Di., 13.02.2024 - 00:23

Büsser ist, genau wie sein miserables Vorbild Roman Kilchsperger, einfach nie lustig und generell ebenso stumpfsinnig wie nervig.

Gervais mag ebenfalls Witze machen, die ziemlich daneben sind, aber bei ihm gibt es wenigstens vereinzelt welche, bei denen man lacht, wenn es keiner sieht.

Zum Glück habe ich schon sehr lange keinen Fernseher mehr!