Im Affekt: Täglich hundert Pillen poppen

Nr. 7 –

Unter einigen Tech-Egomanen Kaliforniens scheint aktuell nichts so angesagt wie mit muskelbepacktem nacktem Oberkörper zu prahlen. Doch einer aus ihrer Runde lässt sie grad ziemlich alt aussehen – und das im Wortsinn: Bryan Johnson, 46-jähriger Start-up-Millionär aus Venice Beach, ist überzeugt, sogar dem Tod entkommen zu können. Mit einem ultrastrikten Tagesablauf, der früh um halb fünf beginnt und abends um halb neun im Bett endet (allein). Dazwischen erstreckt sich ein immer gleicher Ablauf von Sporteinheiten, drei pürierten Mahlzeiten aus Gemüse, Nüssen, Samen und Beeren (die letzte um elf Uhr vormittags) und einer Reihe an Therapien und medizinischen Check-ups in der hauseigenen Ärztepraxis.

Nicht zu vergessen: sechzig (60!) Pillen kurz nach dem Aufstehen und nochmals fast so viele über den Tag verteilt. Der Weg jeder Kalorie im Körper wird verfolgt, der kleinste Furz vermessen. Nachts überwacht ein Gerät am Penis Dauer und Qualität der Erektionen. Es sehe aus wie ein Handtäschchen, fand die Reporterin des «Time Magazine», die ihn vergangenen Herbst zu Hause besuchen durfte (und schrägerweise ergänzte, einen Penis habe sie nicht zu Gesicht bekommen).

Frauen, wen wunderts, gehören nicht zu Johnsons «number one priority». Überhaupt, das Sozialleben: Es scheint sich auf gemeinsame Stunden mit seinem Teenagersohn zu beschränken, mit dem er sich eng umschlungen und oben ohne (beide) porträtieren lässt. Johnson sieht sich als grossen Philanthropen: Er teilt alle Daten seines kartierten Körpers auf der Projektwebsite «Blueprint» – auf dass ihn alle nachahmen. Dass er dort auch überteuerte Pillen und Pülverchen verkauft (und bald auch Hoodies und Baseballcaps mit der Aufschrift «Don’t die»)? Ist doch kein Widerspruch. Dass sich seinen millionenteuren Optimierungstrip längst nicht alle leisten können – oder wollen? Keine relevante Frage, findet er. Da muss man zustimmen. Viel relevanter wäre in der Tat die Frage, wie es um seinen Gesundheitszustand jenseits des rein Physischen steht.

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