Wahlen 2019

13.45: Die Wahrheit über die Wahlbeteiligung

Nun, da die ersten Resultate über die Bildschirme flimmern, ist es Zeit für einen kleinen Zwischenruf. Denn eigentlich sind die Entscheide, die heute gefällt werden, demokratiepolitisch fragwürdig. Um dies zu illustrieren, reicht ein Blick in die Statistik: 2015 lag die Wahlbeteiligung bei 48,5 Prozent – und auch dieses Mal dürften nur rund die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne gegangen sein.

Ein Viertel der Bevölkerung wiederum durfte heute keine Stimme abgeben, nicht mitbestimmen in einem Land, das sich auf seine Demokratie so viel einbildet: jene 2,1 Millionen Menschen ohne Schweizer Pass. Das Demokratiedefizit dürfte in Zukunft nur noch grösser werden. Gerade in den grösseren Städten leben immer mehr Menschen ohne das rote Büchlein. In Zürich sind es beispielweise mehr als dreissig Prozent, ähnlich sieht es in Basel aus. Wenn sich an der restriktiven Schweizer Einbürgerungspolitik nichts ändert, wird es also bald noch schwieriger, Entscheide zu legitimieren. 

Für den heutigen Wahltag bedeutet das: Wenn nur knapp 50 Prozent wählen gehen und 25 Prozent von vornherein ausgeschlossen sind, sieht die wahre Beteiligung noch mal ganz anders aus – dann haben nur etwa 37,5 Prozent der Bevölkerung heute ein neues Parlament gewählt. 

Zwar ist die Schweiz in den letzten Jahrzehnten deutlich vielfältiger und international vernetzter geworden, die politischen Institutionen haben den Wandel allerdings nicht mitgemacht. Dass jene ohne Schweizer Pass nicht wählen dürfen, obwohl sie seit Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, scheint vielen völlig normal. So normal, dass sich nur wenige gegen die diskriminierende Regelung wehren. 

Die Universität Luzern hat für zwanzig EU-Länder und die Schweiz einen «Immigrant Inclusion Index» erstellt: Demnach sind neunzehn Länder demokratischer als die Schweiz, weil sie MigrantInnen mehr politische Rechte zugestehen. Das neue Parlament wird deshalb auch daran gemessen werden müssen, was es dafür tut, das herrschende Demokratiedefizit zu beheben.