Zürich, verteidige dein Seeufer!

Die Auseinandersetzung um ein wichtiges Areal am Seeufer in Zürich Wollishofen spitzt sich zu – zwischen den Profitinteressen der privaten Eigentümerin und den Bedürfnissen der Bevölkerung nach einem lebendigen Kultur- und Freizeitraum. Das Areal, das zwischen der Savera-Wiese, dem GZ Wollishofen und der Roten Fabrik liegt, hat die Kibag Holding AG einst günstig von der Stadt erwerben können, um darauf ein Betonmischwerk zu betreiben. Nun hat die Firma öffentlich gemacht, was sie mit dem Areal vorhat: Zum See hin soll ein Park entstehen, dahinter mehrstöckige Bauten mit Gewerbeflächen und Wohnungen. Angesichts des derzeitigen Stands der Diskussion kommt das einem Affront gleich.

Im Januar war eine von der Stadt organisierte Testplanung zu Ende gegangen. Zusammen mit Architekt:innen haben diverse Organisationen und Gruppen aus dem Quartier verschiedene Szenarien für das Areal entwickelt. Die zentralen Erkenntnisse: Der öffentliche Raum soll erweitert und der Seezugang für alle erhalten werden, und vor allem sollen hier keine Wohnungen gebaut werden. Dass es überhaupt so weit kam, dass die Bevölkerung ihre Bedürfnisse ausdrücken konnte, war auch dem Widerstand der Bewegung «Linkes Seeufer für alle» zu verdanken. Über die letzten Jahre gemahnten die Aktivist:innen immer wieder an die vermutlich katastrophalen Folgen der Baupläne: Teure Wohnungen am See würden Lärmklagen nach sich ziehen und damit das vielfältige Leben auf der Savera-Wiese und die in der Roten Fabrik veranstaltete Kultur bedrohen.

Die Kibag stellt ihre Pläne nun als grosszügig dar. Die Firma verweist auf den weitläufigen Park und betont, ihr Projekt erfülle fünfzehn von sechzehn Vorgaben aus der Testplanung. Nur: Dieser eine Punkt – ob Wohnungen gebaut werden oder nicht – ist der alles entscheidende. Das Lärmproblem will man baulich gelöst haben, zum See hin soll die Fassade des Wohnbaus geschlossen sein. Doch an dieser Lösung sind zuvor bereits die neun an der Testplanung beteiligten Architekturbüros gescheitert.

Die Einschätzung, dass Wohnungen auf dem Kibag-Areal ein Problem wären, wird breit geteilt. Martin Bürki ist Präsident des Quartiervereins Wollishofen und sitzt für die FDP im Gemeinderat. Er findet den Vorschlag der Kibag zwar interessant, verweist gegenüber der NZZ aber auch auf Bedenken innerhalb des Quartiervereins, ob es nicht doch zu Lärmklagen komme, und auf Stimmen, wonach eine unverbaute Wiese nach wie vor die beste Option sei.

Die IG Rote Fabrik wirft der Kibag vor, mit dem aktuellen Projekt den in Umfragen, Abstimmungen und Petitionen wiederholt geäusserten Willen der Bevölkerung zu missachten. «Wir nehmen das Projekt als Bedrohung für die aktuelle soziale Infrastruktur vor Ort wahr», schreibt «Linkes Seeufer für alle» und behält die Perspektive auf ganz andere, gemeinschaftlichere Ideen offen: «Freiraum bedeutet mehr als eine Grünfläche oder ein leerer Platz, den man gelegentlich überqueren oder auf dem man sich aufhalten kann.»

Nun ist die Stadt gefordert, die Pläne der Kibag zu verhindern. Das linke Seeufer zwischen der Roten Fabrik und der Landiwiese ist der grösste Freiraum von Zürich – es wäre eine grosse Enttäuschung für die rot-grün regierte Stadt, wenn dieser Raum durch ein paar teure Wohnungen bedroht würde.