Aus dem Volksmund - Das Blocherlied: «Und nur der liebe Gott weiss in allen Details wie»
Dem Jubilar zum 68. Geburtstag nachgereicht. Zu singen nach der Melodie des Tellenlieds von Hieronymus Muheim (um 1613).
Christoph bin ich, der Blocher,
Und keiner ist mir gleich.
Bin reich und mächtig worden
Mit manchem kecken Streich.
Mit Geld und Macht als Waffen,
In manchem Kampf gestählt,
Hab ich ein Volk geschaffen,
Das mich zum Führer wählt.
Einst wollt’ ich Bauer werden,
Bis ich alsbald verstand:
Man hat gar viel Beschwerden
Im lieben Bauernstand.
Man kann zwar vieles machen,
Viel Klee und Veh und Streu -
Viel ehrenwerte Sachen,
Bloss eins nicht: Geld wie Heu.
Ich plante längerfristig,
War bauernschlau genug:
Drum wurde ein Jurist ich.
Mit Doktorhut im Flug
Lernt’ ich als Rat von Meilen,
Als Chef im Defilée,
Befehle zu erteilen
Im Geiste der Armee.
Kam in die Emser Werke.
Dort war ein Fabrikant,
Der liebte meine Stärke
Als seine rechte Hand.
Ward bald ihm beide Hände;
Er tat den letzten Schnauf
Und fiel vom Stuhl; behände
Setzt' ich mich obendrauf.
Erwarb zu einem Spottpreis
Die ganze Ems-Chemie.
Und nur der liebe Gott weiss
In allen Details wie.
Was hülfe hier die Wahrheit?
Auch ist das lange her:
Die Bergler hatten Arbeit,
Ich wurde Milliardär.
Ein solch Vermögen freilich
Bringen Fabriken nie.
Drum liess ich dort herbei mich,
Wo Geld wie Heu gedieh.
Im Land der weissen Westen
Wurd’ ich ein Spekulant,
Ich hatte ja den besten,
Freund Ebner, an der Hand.
Ob Ciba, Roche, ob von Roll,
Ob Sandoz, Alusuisse:
Trat ich in Aktion voll,
Dann hatten alle Schiss
Vor meinen Millionen.
Es war ein Herrenschmaus:
Ich presste wie Zitronen
All diese Firmen aus.
Bin reich und mächtig worden,
Doch fehlte mir zum Glück
Ein Volk, das unverdorben
Mich liebt als sein Geschick.
Ging drum zu den Verlierern
Im untern Mittelstand:
Es sehnt sich stets nach Führern
Die Volkspartei im Land.
Dort wollt’ man von mir wissen
Nicht ohne Ungeduld:
«Auf Ehre und Gewissen:
Wer ist an allem schuld?»
Die Fäuste in den Hosen
Sprach ich gedankenschwer:
«S’sind stets die Mittellosen,
Nie ist’s der Milliardär.
Drum kann von allem Bösen
Euch nur ein Volkstribun
Dank seiner Gnad erlösen.»
Und tröstend sagte nun
In königlicher Huld ich:
«Doch wahrlich, ihr habt Glück,
Denn schuldiger als schuldig
Ist die classe politique.
Sogar meine Rivalen
Erkannten mein Talent,
Und nach den nächsten Wahlen
Zog ich ins Parlament.
Dort pflegte ich die Hetze:
Der Asylantenstaat
Erforderte Gesetze.
Ich wurde Bundesrat.
Er bellt nicht nur, auch frisst er,
War bald mein Ruf im Land
Als der Justizminister,
Der für sein Volk einstand.
Ich rüstete die Knebel,
Besorgt und väterlich.
Begeistert war der Pöbel:
Statt Recht’ hatte er mich.
Viel ändert’ ich zum Guten.
Kein’ Feind hab ich verfehlt
Liess alle kräftig bluten -
Da wurd’ ich abgewählt.
Und schmählicher fiel keiner:
Denn mich schoss ab im Rat,
Vom Feind gewählt statt meiner,
Ein falscher Kamerad.
Mein Volk sah mich getroffen
Von meiner Feinde Hohn.
Vergeblich blieb mein Hoffen
Auf seine Reaktion.
Doch mich zwingt keiner nieder
In der Geschichte Kot:
Ich komme immer wieder,
Nur wer nichts hat, ist tot.
Nehmt hin, ihr Eidgenossen
Die noch ufrichtig sind,
Dies Lied, hiemit beschlossen.
Tuond's schlagen nit in Wind!
Der Volksmund hat’s gedichtet
Zur Lehre seinem Land.
Sin Pflicht, die warnt, nit richtet,
Hat ihn darzuo ermahnt.
Der Originaltext des
Tellenlieds findet sich in:
Otto von Greyerz: «Im Röseligarte». Zytglogge Verlag. Oberhofen 2008.
487 Seiten, 48 Franken.