Antifa in Dresden: Aller guten Dinge sind drei

Nr. 6 –

Braucht man noch Nazis, wenn es solche Staatsorgane hat? Die – wie in Sachsen letztes Jahr geschehen – Naziaufmärsche schützen, massenhaft gegen antifaschistische Bürgerinnen und Politiker ermitteln und demokratischen Widerstand kriminalisieren? Gute Frage. In den vergangenen zwei Jahren hatten deutsche Nazis zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 Grossaufmärsche angekündigt, die jeweils genehmigt wurden: 2010 tauchten zum europaweit grössten Nazitreffen 7000 Rechtsextreme auf, 2011 waren es über 3000. Beide Demonstrationen wurden gestoppt. Im vorletzten Jahr von 12 000 , im letzten von über 20 000 GegendemonstrantInnen. Auch 2012 sind in Dresden Nazikundgebungen angekündigt. Die erste soll an diesem Wochenende stattfinden – und wieder mobilisieren antifaschistische Organisationen. Ihr Motto: «Aller guten Dinge sind drei.»

Offen ist nur noch, wie die Staatsgewalt diesmal mit der zivilgesellschaftlichen Opposition gegen rechts umspringt. 2011 hatte sie die Gegendemonstration auf das Gebiet rechts der Elbe verbannt, während den Nazis der innerstädtische Bereich vorbehalten war. Dass sich die antifaschistischen Gruppierungen nicht an die behördlichen Auflagen hielten und die Nazis stoppten, löste einen massiven Polizeieinsatz und zahllose Ermittlungsverfahren aus. Schon während der Ereignisse am 19. Februar 2011 hatte die Polizei auf Anweisung der sächsischen Staatsanwaltschaft die Stammdaten von 54 000 HandynutzerInnen erhoben, wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein RAV Anfang Januar in einer Studie festhielt.

Danach ging es erst richtig los. Es hagelte Strafbefehle – auch gegen Abgeordnete wie André Hahn, den Fraktionschef der Linkspartei im sächsischen Landtag. Er soll 2010 eine «grobe Störung» der Nazikundgebung verursacht haben. Es kam zu Hausdurchsuchungen, bei denen Beamte Kettensägen einsetzten. Und noch immer werden Einzelpersonen und Antifagruppen aufgrund des Strafparagrafen 129 («Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung») verfolgt. Dieser Vorwurf wird gegen den engagierten Jenaer Jugendpfarrer Lothar König zwar nicht mehr erhoben. Aber dafür legt ihm der Staat jetzt «schweren Landfriedensbruch» zur Last. Wenn schon Staatsanwaltschaften so vorgehen, muss man sich über die Orientierung des Verfassungsschutzes nicht wundern.

Pit Wuhrer

www.rav.de