Medientagebuch: Schwarze Bildschirme

Nr. 25 –

Theodora Mavropoulos über den staatlichen griechischen Rundfunk.

«Plötzlich sah ich nur noch Schwarz.» Gioannis Papadopoulos, Einwohner des Athener Stadtzentrums, kann es nicht fassen. «Die haben einfach die staatlichen Programme eingestellt.» Der 64-jährige Taxifahrer sass am Dienstag letzter Woche vor dem Fernseher und hat miterlebt, wie der staatliche Rundfunk ERT mit seinen drei landesweiten TV-Programmen und fast dreissig regionalen und nationalen Radiosendern über Nacht abgeschaltet wurde.

Zuvor hatte Ministerpräsident Antonis Samaras von der konservativen Nea Dimokratia (ND) überraschend die sofortige Schliessung der ERT verkündet. Er tat dies im Alleingang, denn seine Bündnispartner von der sozialistischen Partei (Pasok) und der Demokratischen Linken (Dimar) stimmten dem Beschluss nicht zu. Doch Samaras setzte sich durch. Seine Begründung für die Schliessung: Der Betrieb sei intransparent und ein Beispiel «unglaublicher Verschwendung». Er wolle so zur Sanierung des Landes beitragen. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt im Nordosten Athens – die sich übrigens hauptsächlich aus der monatlichen Rundfunkgebühr von 4,30 Euro finanziert – schloss innerhalb weniger Stunden. Das löste landesweit eine sofortige Protestwelle aus. Opposition und Gewerkschaften sprachen von einem «putschartigen Schritt»; JournalistInnen privater Medien solidarisierten sich mit ihren KollegInnen und traten in den Streik. Wegen der Schliessung der ERT sind rund 2700 Menschen mit einem Schlag arbeitslos.

Zum Beispiel die 36-jährige Radioredaktorin Aliki Papanastasiou: «Gerüchte, dass die ERT geschlossen wird, kursierten bereits – aber keiner hat geglaubt, dass die das wirklich machen», sagt sie. Papanastasiou ist jetzt fast «Tag und Nacht im Sender», in dem sie seit elf Jahren arbeitet. «Wir machen weiter und versuchen, ein eigenes Programm auf die Beine zu stellen und zu senden.» Vor dem Rundfunkgebäude sind grosse Leinwände und Anlagen aufgebaut. Transparente hängen aus den Fenstern: «Not for Sale» oder «Die ERT ist geöffnet und wird das auch bleiben». SängerInnen treten auf, Protestreden werden gehalten und Konzerte des ERT-Orchesters auf die Leinwand übertragen. Täglich versammeln sich Menschen aus Solidarität vor dem Rundfunkgebäude. Mehrere TV-Portale, unter anderem das der Europäischen Rundfunkunion (EBU) und das der kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), haben einen Livestream der ERT übertragen, nachdem diese selbst nicht mehr senden konnte. Gemäss Regierungssprecher Simos Kedikoglou soll der Sendebetrieb der ERT neu strukturiert werden und später mit rund 1200 Beschäftigten wieder starten. Allerdings ist unklar, wer und zu welchen Bedingungen dann neu eingestellt wird.

Die entlassenen MitarbeiterInnen halten die Schliessung für verfassungswidrig und haben beim höchsten griechischen Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde eingelegt. In der Nacht zum Dienstag dieser Woche hat das Gericht die Schliessung für nichtig erklärt und in einer einstweiligen Verfügung den Weiterbetrieb der Sender angeordnet, bis der Plan zur Umstrukturierung wirklich vorliegt.

Am Dienstagmittag versucht sich Gioannis Papadopoulos in die Programme seines Fernsehers zu zappen. Er sagt, dass die ERT zwar «immer umstritten» war, denn die Regierungsparteien unterstützten stets ihre eigenen Leute im Sender. Doch: «Einen staatlichen Rundfunk einfach abschalten – das sollte es in einer Demokratie nicht geben.» Trotz Gerichtsurteil ist die ERT noch nicht wieder auf Sendung.

Theodora Mavropoulos schreibt für 
die WOZ aus Athen.