Ladenöffnungszeiten: Dann gute Nacht!

Nr. 34 –

Tankstellenshop-Abstimmung: Für die Grünliberalen ist sie erst der Anfang, bald sollen alle kleine Läden rund um die Uhr offen sein dürfen.

Das Niveau der grünliberal angeführten Ja-Kampagne zur Tankstellenshop-Abstimmung sinkt inzwischen fast stündlich. Es ist zu befürchten, dass sich ein Grünliberaler im Freiheitskampf für die Bratwurst kurz vor Spielschluss noch seine Finger an einem Grill selbstverbrennen wird.

Mit ihrer Kampagne wollen uns die BefürworterInnen glauben machen, dass es bei der Frage, ob Angestellte in Tankstellenshops an Hauptverkehrsadern auch nachts und an Sonntagen arbeiten müssen, vor allem um das Recht auf die Wurst geht. Ähnlich argumentierte unlängst auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, als er behauptete, dass weder eine generelle Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten noch die Einführung des 24-Stunden-Arbeitstags zur Debatte stünden.

Träume der Touristiker

Tatsächlich wären zunächst «nur 20 bis 30 Betriebe» betroffen. Doch was für einige Tankstellenshops gelten soll, könnte bald auf andere Detailhandelsbetriebe ausgedehnt werden. Bereits hat das Parlament zwei vom Bundesrat zur Annahme empfohlene Vorstösse abgesegnet, die die Ladenöffnungszeiten noch weiter ausdehnen wollen: zum einen die Forderung des Tessiner FDP-Nationalrats Fabio Abate, die Nacht- und Sonntagsarbeit in «Fremdenverkehrsgebieten» auf Verordnungsebene einzuführen – über die kantonale Hoheit betreffend Ladenöffnungszeiten hinweg; zum andern fordert Abates Tessiner CVP-Kollege Filippo Lombardi eine «Teilharmonisierung» der Öffnungszeiten für alle Detailhandelsbetriebe (Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr, samstags von 6 bis 19 Uhr).

Es ist aber vor allem der Wortlaut der dritten und bislang radikalsten Motion, eingereicht von der grünliberalen Nationalrätin Kathrin Bertschy, der zeigt, wie von der Tankstellenshop-Vorlage ein Totalangriff auf das Arbeitsgesetz im gesamten Detailhandel ausgeht: Ihre Forderung, dass alle Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe mit maximal 120 Quadratmetern auch sonntags und in der Nacht Angestellte beschäftigen dürfen sollen, begründet Bertschy ausgerechnet damit, dass die Revision betreffend Tankstellenshops dazu führe, dass KonsumentInnen, «welche sonntags oder in der Nacht einkaufen möchten, dies künftig exklusiv an Tankstellenshops tun können». Das sei wettbewerbspolitisch unfair und führe «zu erheblichen ökologischen und raumplanerischen Fehlanreizen». Damit nimmt Bertschy Formulierungen ihres bürgerlichen Kollegen Abate fast wörtlich auf.

Die Grünliberalen argumentieren also mit irreführender Verwendung von Begriffen wie «Fairness», «Gerechtigkeit» und «Ökologie» – in direkter Anknüpfung an die Tankstellenshop-Vorlage. Ihr Vorstoss käme einer generellen Einführung der Nacht- und Sonntagsarbeit in allen Verkaufs- und Dienstleistungsgeschäften mit maximal 120 Quadratmetern gleich. Das ist selbst dem Bundesrat zu viel. Zumal das Arbeitsgesetz bereits Ausnahmeregelungen an Sonntagen vorsieht – an grossen Bahnhöfen, in Flughäfen sowie für Verkaufsgeschäfte von Bäckereien. Bereits vom Arbeitsgesetz ausgenommen sind Familienbetriebe.

Ein Volkswirtschaftsminister, der Sand in die Augen der Bevölkerung streut; Tourismusvertreter, die die Schweiz auf eine Tourismusdestination reduzieren; grünliberale PolitikerInnen, die mit pseudogerechten und scheinökologischen Versprechungen hantieren: Mit solchen Augenwischereien wollen InteressenvertreterInnen der grossen Detailhandelsketten und der Erdölvereinigung die Bevölkerung übergehen – in den letzten Jahren wurden zwölf von dreizehn kantonalen Vorlagen betreffend längere Ladenöffnungszeiten abgelehnt.

Realität der VerkäuferInnen

Es geht nicht um das Menschenrecht, nachts eine Bratwurst kaufen zu dürfen, wie es BefürworterInnen der Vorlage suggerieren wollen. Es geht um die Gesundheit und die Arbeits- und Lebensbedingungen von 370 000 Angestellten im Detailhandel, die schon heute zu Tieflöhnen, in zerstückelten Arbeitszeiten, samstags und auf Abruf arbeiten müssen – und noch immer ohne Gesamtarbeitsvertrag.

Noch etwas zur «Kundenfreundlichkeit», die Schneider-Ammann der Vorlage attestiert: Auch die 370 000 VerkäuferInnen sind KundInnen. Natürlich nur ausserhalb ihrer Arbeitszeit.