Flüchtlingspolitik: Sieben Schritte, die möglich sind

Nr. 42 –

Die Schiffskatastrophe von Lampedusa hat vielen die Augen geöffnet, dass eine Umkehr in der Flüchtlingspolitik dringend ist. Bloss: Wie ist sie zu schaffen? Sieben Vorschläge, die sofort umgesetzt werden oder zumindest als Horizont dienen können.

1. Botschaftsasyl einführen: Flüchtlinge begeben sich auf gefährliche Routen, weil es wegen Visumbestimmungen sowie der Grenzüberwachung für sie fast unmöglich geworden ist, nach Europa zu gelangen. Das Botschaftsasyl, das die Schweiz kürzlich abgeschafft hat, ist eine Alternative. Bei einer Wiedereinführung müssen wir nicht auf andere Staaten warten. Wir geben uns ja auch sonst gern souverän.

2. Kontingente aufnehmen: Achtzig Prozent der weltweit sechzehn Millionen Geflüchteten leben gemäss dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR in Entwicklungsländern. Für jene, die nicht mehr zurück in ihre Heimat können, soll die Schweiz Kontingente anbieten: nicht nur 500 Plätze für SyrerInnen, wie von Justizministerin Simonetta Sommaruga angekündigt, sondern ein paar Tausend. Hören wir auf zu jammern in den Einfamilienhäusern: Geld und Platz sind genug da. Schweden gewährt gar allen SyrerInnen Asyl, die ins Land kommen.

3. Nothilfe abschaffen: Die Festung Europa zeigt sich nicht nur auf Lampedusa, die Grenze reicht bis in die Schweizer Zivilschutzbunker: Die Isolierung und die Gängelung von Asylsuchenden müssen aufhören. Sie sollen nicht länger von Nothilfe leben müssen, sondern alle Sozialhilfe und 
Arbeitsmöglichkeiten erhalten.

4. Dublin überwinden: Der Dublin-Vertrag ist gescheitert. Er verlangt, dass Flüchtlinge in dem Land ein Asylgesuch stellen müssen, das sie zuerst betreten. Griechenland und Italien werden im Stich gelassen, die Situation der Flüchtlinge dort ist unmenschlich. Sie sollen wählen können, in welchem Staat sie ein Asylgesuch stellen, im Sinn eines «europäischen Asyls». Das Scheitern von Dublin zeigt auch: Eine weitere Externalisierung der Grenze in Flüchtlingscamps nach Afrika bringt nichts. Nur die Verantwortung wird abgeschoben, aus den Augen, aus dem Sinn.

5. Zwei-Kreise-Modell hinterfragen: Die europäische Migrationspolitik unterscheidet eine legale und eine illegale Migration. Dank der Personenfreizügigkeit gibt es innerhalb Europas eine Bewegungsfreiheit wie seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr. Für Menschen von ausserhalb, die nicht privilegiert sind, bietet jedoch ein Asylgesuch die einzige Möglichkeit hierherzukommen. Ein Drittel der Asylsuchenden erfüllt den politischen Flüchtlingsbegriff, weshalb er weiterhin zu verteidigen ist. Statt die übrigen MigrantInnen als Illegale zu bezeichnen, wäre besser zu prüfen, wie sie eine Arbeitsmöglichkeit erhalten: Dass sie gebraucht werden, zeigen die Hausarbeiterinnen in der Care-Ökonomie. Die Behauptung, bei einer sukzessiven Öffnung des Arbeitsmarkts käme die halbe Welt, ist reichlich eurozentrisch. Gegen Lohndumping helfen Mindestlöhne.

6. Gegen Glencore und Waffenhandel: Mit Steuervorteilen für Rohstoffkonzerne wie Glencore behindert die Schweiz massgeblich die Entwicklung von ärmeren Staaten, weil diesen die Steuern auf ihre Bodenschätze entzogen werden. Die Konzerne müssen für Menschenrechtsverletzungen international belangt werden können, wie es die Kampagne «Recht ohne Grenzen» fordert. Die Rüstungsausfuhr soll eingeschränkt, die Entwicklungshilfe ausgebaut werden: Sie beträgt nur ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

7. Fremdenfeindliche Initiativen für ungültig erklären: Die ParlamentarierInnen müssen endlich den Mut finden, Initiativen für ungültig zu erklären, die gegen Menschenrechte verstossen, wie die Durchsetzungsinitiative. Wichtiger ist die Diskussion über ein modernes Bürgerrecht, das mit dem Ius soli beginnt: Menschen, die hier geboren sind, sollen den Schweizer Pass automatisch erhalten, Zugezogene auf einfacherem Weg. Gleiche Rechte für alle – am Ende gewinnt die Demokratie.

Wer mit Flüchtlingen und MigrantInnen unterwegs ist, weiss: Ihre Gründe sind vielfältig, ebenso ihre Absichten und Träume. Nur die Richtung der Migration ist klar: vorwärts, nicht rückwärts.

«Lampedusa – unser internationaler Kampf»: Demo: 19. Oktober 2013, Helvetiaplatz Zürich, 19 Uhr.