Überwachung: Was der Staat in deinem Smartphone will

Nr. 4 –

Unbeeindruckt von den weltweiten Diskussionen möchte der Bundesrat die Überwachung des Internets ausbauen. Doch der Widerstand wächst – nötigenfalls soll das Referendum ergriffen werden.

Wer hört mit? Das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldewesens soll das Mitschneiden von Telekommunikation ohne richterliche Ermächtigung möglich machen. Foto: Patrick Seeger

Büpf! Das Gesetz tönt so harmlos wie das Tropfen eines lecken Wasserhahns. Doch das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldewesens, wie es vollständig heisst, bringt einen Schwall an dammbrechenden Neuerungen und Änderungen mit sich.

Kein anderes Thema bestimmte die Schlagzeilen im vergangenen Jahr so stark wie die flächendeckende Überwachung des Internets durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA und dessen Partner in anderen Ländern. Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Angestellten Edward Snowden sorgten weltweit für Empörung. Doch in der Schweiz arbeitet der Bundesrat unbeirrt weiter daran, den Überwachungsapparat auszubauen. Gleich zwei neue Gesetze sollen dem Geheimdienst und den Strafverfolgungsbehörden mehr Kompetenzen erteilen: das Nachrichtendienstgesetz, für das im Herbst das Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen wurde. Und, eben, das Gesetz mit dem harmlosen Namen.

Fragwürdige Wirksamkeit

Das Büpf kommt im März in den Ständerat. Drei Jahre lang hatte das Überwachungsgesetz in den Büros der Berner BeamtInnen gegärt, ehe es in den letzten Monaten von der Rechtskommission des Ständerats vorbereitet wurde. Der Medienmitteilung nach zu urteilen, müssen es gemütliche Runden gewesen sein: Die Kommission nahm das Gesetz einstimmig an.

Das ist bemerkenswert, da die Gegnerschaft des Büpf breit ist und schon in der Vernehmlassung heftige Kritik äusserte. Von über hundert TeilnehmerInnen stellten sich gerade einmal vier vorbehaltlos hinter das Büpf: die Kantone Uri, Obwalden und Genf sowie die Schweizerische Post. Alle anderen hatten Bedenken. Die Kernpunkte der Gesetzesrevision im Schnelldurchlauf:

• Bundestrojaner und IMSI-Catcher: Künftig sollen Computer mit dem Einsatz von sogenannter Govware ausspioniert werden können. Der Bundestrojaner ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, sich in Computer einzuschleusen und dort auch auf private, für das Strafverfahren irrelevante Informationen zuzugreifen. Der Einsatz dieser Schadsoftware ist stark umstritten. Dasselbe gilt für den sogenannten IMSI-Catcher. Mit ihm lassen sich HandynutzerInnen im Umkreis des Catchers identifizieren und auch Gespräche mitschneiden. Wie die «Schweiz am Sonntag» kürzlich publik machte, kann der IMSI-Catcher mit dem neuen Büpf auch ohne richterliche Ermächtigung eingesetzt werden.

• Vorratsdatenspeicherung: Das neue Büpf sieht vor, dass die Randdaten der Telekommunikation zwölf Monate auf Vorrat gespeichert und aufbewahrt werden müssen statt nur sechs Monate wie bisher. Gespeichert wird, wer wann mit wem wie lange von wo aus telefoniert oder gemailt hat. Die Serviceprovider müssen diese Daten unabhängig davon speichern, ob jemand verdächtigt wird oder nicht – für den Fall, dass später gegen jemanden ermittelt wird. Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland erklärte die Vorratsdatenspeicherung 2010 für verfassungswidrig und forderte massive Einschränkungen. Am Europäischen Gerichtshof wird ihre Rechtmässigkeit derzeit gerade geprüft. Bis zu diesem Entscheid will die deutsche Regierung auf einen neuen Gesetzesentwurf verzichten.

• Ausweitung des Geltungsbereichs: Bislang galt das Büpf ausschliesslich für Internetanbieter. Neu fallen unter das Gesetz auch Anbieter anderer Fernmeldedienste, etwa reine E-Mail-Provider, Forenbetreiber oder Privatpersonen. Auch Hotels, Bibliotheken und selbst Wohngemeinschaften, die ihr WLAN mit den NachbarInnen teilen, müssen eine «Überwachung dulden», wie es im Gesetz heisst. Wer sich der Überwachung verweigert, kann mit bis zu 100 000 Franken gebüsst werden. Allerdings fragt man sich, wie viel die Ausweitung bringt, zumal beliebte E-Mail-Anbieter wie GMX, Hotmail oder Gmail im Ausland angesiedelt sind und daher ohnehin nicht unter das Schweizer Gesetz fallen.

Kostenproblem für kleine Anbieter

Der Bundesrat sprach stets von einer Verbesserung des Gesetzes, von einer Anpassung an die technischen Fortschritte der letzten Jahre, die auch an Kriminellen nicht spurlos vorbeigezogen seien. Tatsächlich aber ist das Gesetz eine massive Ausdehnung der Überwachung. Vor allem die starke Erweiterung der Mitwirkungspflicht stellt viele insbesondere kleinere Anbieter von Internetdiensten vor Probleme finanzieller Art. Um die gesetzlichen Pflichten wahrnehmen zu können, müssen sie ihre Infrastruktur für die Überwachung fit machen. Auch grosse Firmen wehren sich dagegen, zum verlängerten Arm der Strafverfolgungsbehörden zu werden. Franz Grüter, der Chef des Internetunternehmens Green.ch, hat bereits angekündigt, das Büpf zu bekämpfen – nötigenfalls auch mit einem Referendum. Unterstützung aus der Politik ist ihm gewiss: Netzpolitiker wie der Grüne Balthasar Glättli oder FDP-Nationalrat Ruedi Noser würden sich beim jetzigen Stand der Vorlage einem Referendum anschliessen, wie sie auf Anfrage erklären.

Die Digitale Gesellschaft, ein Zusammenschluss verschiedener netzpolitischer Organisationen vom Chaos Computer Club bis zur Piratenpartei, bemängelt, dass die Rechtskommission das Gesetz kaum auf Verhältnismässigkeit überprüft habe und sich stattdessen sorge, «dass die hohen Überwachungskosten die Strafuntersuchungen beeinträchtigen könnten». Denn in einem Punkt schlug die Kommission doch eine Änderung des Gesetzes vor: Das Büpf sieht für die Provider, die zu Überwachungen angehalten werden, eine Entschädigung vor. Diese soll nach dem Wunsch der Kommission gestrichen werden.

Der CVP-Ständerat Stefan Engler, Präsident der Rechtskommission, verteidigt den Entscheid. Für die Kommission stehe die Aufklärungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden im Zentrum. Aber auch Engler ist klar, dass die Auseinandersetzung erst beginnt. «Es wird schwierig sein, den Begriff ‹Schnüffelstaat› aus der Diskussion rauszuhalten.»