Durch den Monat mit Lia Wälti (Teil 2): Gefällt es Ihnen, auf Kunstrasen zu spielen?

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Die Schweizer Frauenfussball-Nationalmannschaft ist zurzeit an der Weltmeisterschaft in Kanada im Einsatz. Lia Wälti über Verantwortungsgefühl, das Innenleben des Teams und die Stimmung an der WM.

WOZ: Lia Wälti, abgesehen von Ihren fussballerischen Fähigkeiten ist auch früh Ihre besonders besonnene und verantwortungsvolle Spielweise aufgefallen. Für die Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg sind Sie eine der ersten Ansprechpersonen im Team. Woher kommt das?
Lia Wälti: Ich bin von Natur aus ziemlich zuverlässig. Wenn ich eine Aufgabe oder eine Anweisung bekomme, versuche ich, sie so gut wie möglich umzusetzen. Ich denke, ich bin keine Spielerin, die einen Match entscheiden kann, aber ich kann die Mannschaft zusammenhalten und mit meiner Ruhe in gewissen Situationen die Hektik aus dem Spiel nehmen.

Auch Bernd Schröder, der Trainer Ihres Vereins Turbine Potsdam, schätzt Sie wegen Ihrer Zuverlässigkeit.
Schröder hat mich bereits in meinem zweiten Jahr in Deutschland zum Captain gemacht. Ich habe diese zusätzliche Verantwortung gern angenommen, wobei ich eigentlich gar nicht viel anders mache als früher. Ich versuche einfach immer, meine Sache gut zu machen und für andere da zu sein, wenn sie mich brauchen.

Kommen Sie durch diese Erfahrung mit einem anderen Gefühl zur Nationalmannschaft?
Nein, nicht mit einem anderen Gefühl. Aber meine Rolle hat sich im Gegensatz zu der Zeit, als ich noch nicht lange dabei war, sicher verändert. Ich bin eine Führungsspielerin, und entsprechend wird auf dem Feld mehr von mir erwartet.

Sie gehören zum Stamm des Nationalteams. Noch während der Vorbereitung war aber nicht für alle Spielerinnen klar, ob sie mit zur WM nach Kanada mitfahren dürfen. Und auch vom definitiven Aufgebot kommen wohl nicht alle zum Einsatz. Hat das Einfluss auf die Psychologie der Gruppe?
Die Konkurrenzsituation ist natürlich da, dessen sind wir uns bewusst, und das gehört zum Sport. Aber dadurch wird das Niveau hochgehalten, was allen dient. Wir haben einen wirklich guten Zusammenhalt innerhalb des Teams, die Mischung der Charaktere stimmt, und die Stimmung ist sehr gut. Darum steht nicht die Konkurrenz, sondern die Kooperation im Vordergrund. Wir versuchen, einander zu helfen, um das Beste für das Team zu erreichen.

Welchen Einfluss hat Martina Voss-Tecklenburg auf das Team? Seit sie 2012 das Amt der Nationaltrainerin übernommen hat, hat die Schweiz einen Leistungssprung gemacht.
Ja, ihr Einfluss ist enorm. Heute ist die Zielsetzung eine ganz andere. Früher waren wir gegen grosse Nationen vor allem darauf bedacht, nicht zu verlieren. Wir waren schon damals kein schlechtes Team, dachten aber defensiv. Martina hat uns das Selbstvertrauen vermittelt, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Selbst gegen Topteams wie Schweden, das wir in der Vorbereitung zum ersten Mal geschlagen haben. Auch die Gegneranalyse ist heute genauer. Unsere Trainer haben uns so gut auf Schweden eingestellt, dass wir schon vor Anpfiff wussten, wie wir sie schlagen können.

Und dann ist alles genau aufgegangen?
Nicht ganz. Im Spiel merkten wir, dass uns Schweden im Training beobachtet hatte. Bei Standards stellten die Schwedinnen genau die Räume zu, von denen wir gedacht hatten, dass sie frei bleiben würden. Wir haben dann aber doch einen Weg gefunden, um unsere Tore zu schiessen.

Die Weltmeisterschaft in Kanada wird auf Kunstrasen gespielt. Es gab Proteste der Spielerinnen. Manche fühlten sich diskriminiert, weil noch nie eine WM der Männer auf Plastik ausgetragen wurde. Andere wehrten sich vor allem gegen die schlechte Qualität des Fabrikats.
Anfangs war ich auch skeptisch. Aber letztes Jahr wurde bereits die U20-WM auf Kunstrasen ausgetragen, und ich habe den Eindruck, dass er dem Frauenfussball allgemein entgegenkommt. Für den Zuschauer ist das Spiel schneller und somit interessanter. Auch für uns ist er günstig, denn unser Spiel basiert auf Technik und Tempo. Das unterstützt der Kunstrasen, denn die erste Ballkontrolle und die Passschärfe sind von grosser Bedeutung.

Und das Verletzungsrisiko?
Das ist umstritten. Es gibt einige wissenschaftliche Studien, die kein erhöhtes Verletzungsrisiko auf Kunstrasen nachweisen. Weil der Platz durchgängig eben ist, knickt man zum Beispiel weniger weg. Dafür sind Grätschen und allgemein der Bodenkontakt schmerzhaft. Wir haben die ganze Vorbereitung auf Kunstrasen gemacht und wissen, wie man darauf spielt. Ich glaube aber nicht, dass die Zukunft des Fussballs auf Kunstrasen liegt, dafür ist er bei den Spielerinnen zu unbeliebt.

Apropos: Wie geht es dem Bein?
Immer besser, ich konnte nur die ersten Trainingstage nicht am Ball trainieren.

Und wie ist die Situation in Kanada allgemein? Ist die WM in der Öffentlichkeit ein Thema?
Zu Beginn noch nicht so richtig. Aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die anderen Mannschaften erst nach und nach eingetroffen sind. Seit dem Eröffnungsspiel am 4. Juni ist schon einiges los hier.

Lia Wälti (22) ist Fussballprofi und bestreitet 
mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft in Kanada. Das erste Spiel gegen Japan haben 
die Schweizerinnen 0 : 1 verloren.